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Gesellschaftsrecht: Eine actio pro socio ist auch bei einer Zwei-Personen-GmbH möglich

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.07.2023 – II ZR 116/21

Hintergrund

Eine Klage gegen einen Gesellschafter in Form einer sogenannten actio pro socio ist im Rahmen des Gesellschaftsrechts anerkannt und verbreitet. In einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs wurde jedoch nun festgestellt, dass eine actio pro socio auch bereits im Rahmen einer Zwei-Personen-GmbH möglich sein kann.

Die Beteiligten des vorliegenden Falles sind als Kläger und Beklagter jeweils Gesellschafter einer GmbH. Diese GmbH enthält in ihrer Satzung keine Vorschriften hinsichtlich des Ausschlusses eines Gesellschafters oder der Einziehung von Geschäftsanteilen. Der Kläger des vorliegenden Falles wollte nun den Beklagten aus der GmbH ausschließen und dessen Anteil an dem Geschäft einziehen oder diesen dazu verpflichten, seinen Geschäftsanteil abzutreten.

Fraglich war nun vor allem, ob der Kläger die Prozessführungsbefugnis innehatte für die vorliegende Klage, die er im eigenen Namen erhoben hatte. Der Kläger wandte sich zunächst an das Landgericht München I und anschließend an das Oberlandesgericht München, welche die Klage beide abwiesen. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers an den Bundesgerichtshof hatte nun hingegen Erfolg.

Gründe

Die Klage auf Ausschließung eines Gesellschafters ist grundsätzlich von der Gesellschaft selber, vorliegend also von der GmbH, zu erheben. Bisher hatte der Bundesgerichtshof die Frage, ob ein Gesellschafter eine Klage auf Ausschließung des anderen Gesellschafters auch in einer Zwei-Personen-GmbH anstrengen kann, stets offengelassen. In diesem Urteil äußerte sich der Bundesgerichtshof nun bejahend zu der Frage.

Eine Ausschließungsklage kann etwa betrieben werden, wenn einer der Gesellschafter sich pflicht- oder treuwidrig verhalten hat und der GmbH dadurch geschadet hat. Eine solche Schädigung gegenüber der GmbH trifft mittelbar auch den anderen Gesellschafter. Die Grundüberlegung der actio pro socio, die Ausdruck des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters ist, müsse auch auf die Befugnis, eine Ausschließungsklage anzustreben, anwendbar sein. Dies folge zum einen aus Gründen der Praktikabilität, zum anderen sollen unrechtmäßige Einflussnahmemöglichkeiten durch die actio pro socio verhindert werden.

Grundsätzlich sei zwar vorrangig die GmbH selber zu solchen Klagen befugt, jedoch kann dies in Ausnahmefällen nicht gerecht sein. Ein solcher Fall ist etwa gegeben, wenn die Klage nicht durch die Gesellschaft selbst betrieben werden oder durch den schädigenden Gesellschafter vereitelt werden könnte. So liegt es etwa in Fällen wie dem vorliegenden, da der auszuschließende Gesellschafter infolge seiner Machtstellung innerhalb der Gesellschaft eine Klage im Namen der Gesellschaft erschweren könnte. Eine Prozessführungsbefugnis des Klägers war somit gegeben.

Bewertung

Eine actio pro socio muss aufgrund verschiedener Erwägungen wie etwa Gründen der Praktikabilität auch im Rahmen einer Zwei-Personen-GmbH möglich sein. Die actio pro socio dient unter anderem der effizienten Durchsetzung der Interessen der GmbH, etwa wenn – wie in dem vorliegenden Fall – ein Gesellschafter die GmbH schädigt und dies von dem anderen Gesellschafter vor Gericht geltend gemacht werden soll. Um einen effektiven Rechtsschutz der Interessen der GmbH zu gewährleisten, hält der Bundesgerichtshof daher nun auch für die Zwei-Personen-GmbH eine actio pro socio für möglich.

In der juristischen Literatur wird bereits seit längerer Zeit mit herrschender Meinung eine Anwendbarkeit der actio pro socio auf eine Zwei-Personen-GmbH bejaht. Ein actio pro socio soll einen Gesellschafter dazu berechtigen, vor Gericht einen Anspruch der Gesellschaft im eigenen Namen geltend zu machen und dabei das Bestehen einer Verpflichtung des Klagegegners gegenüber der Gesellschaft feststellen zu lassen. Da der Gesellschafter selber Teil der GmbH ist, sollen durch diese Befugnis zur Prozessführung vor Gericht die Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafters gewahrt werden.

Anerkannt ist eine actio pro socio vor allem für Ansprüche aus dem Verhältnis der Gesellschafter untereinander, unter engen Voraussetzungen ist sogar eine Klage im eigenen Namen auf Ansprüche der Gesellschaft im Außenverhältnis gegenüber Dritten möglich. Die bereits seit dem römischen Recht bekannte und vor Gericht anerkannte actio pro socio wird am dem 01.01.2024 nun auch gesetzlich normiert sein in § 715b Bürgerliches Gesetzbuch.

 

Frank Sattler
Anwalt für Gesellschaftsrecht

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