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Sozialrecht: Elterngeld Plus darf auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit beansprucht werden

Bundessozialgericht, Urteil vom 07.09.2023 – B 10 EG 2/22 R, Pressemitteilung Nr. 29/2023

Hintergrund

Zu Beginn der sogenannten Partnerschaftsbonusmonate war der Kläger des vorliegenden Falles erkrankt, wobei dies über das Ende seiner Lohnfortzahlung zeitlich hinaus ging. Nach Ende der Lohnfortzahlung erhielt der Kläger daher keinen Lohn mehr. Die zuständige Elterngeldstelle hob die erteilte Leistungsbewilligung hinsichtlich des Elterngelds Plus auf und stellte dem Kläger einen Rückforderungsbescheid über die Beträge, die ihm innerhalb der gesamten vier Monate, in denen er Elterngeld Plus bezogen hatte, ausgezahlt wurden, aus.

Der Anspruch auf Elterngeld ist im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt, wobei zwischen Basiselterngeld, Elterngeld Plus und dem Partnerschaftsbonus unterschieden wird. Elterngeld Plus richtet sich dabei an Eltern, die schon kurze Zeit nach der Geburt ihres Kindes wieder in Teilzeit tätig sein möchten.

Die damals geltende Fassung des § 4 Abs. 4 BEEG setzte dazu fest, dass ein Elternteil höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld beziehen kann und zusätzlich höchstens vier Monate lang einen Anspruch auf Elterngeld Plus als Partnerschaftsbonus hat. Dazu ist jedoch erforderlich, dass beide Elternteile ihr Kind versorgen und es betreuen und gleichzeitig in einem Umfang von 25 bis 30 Stunden in der Woche berufstätig sind.

Nach der Richtlinie des Bundesfamilienministeriums zum BEEG besteht die Erwerbstätigkeit im Falle einer Arbeitsunfähigkeit jedoch nur bis zum Ende der Lohnfortzahlung weiter. Da der Kläger über das Ende der Lohnfortzahlung hinaus arbeitsunfähig war, erhielt er daher keinen Lohn mehr, und die Stadt forderte demnach die gezahlten Beträge zurück.

Der Kläger wandte sich daraufhin klageweise gegen die Stadt als Beklagte zunächst an das Sozialgericht Hannover und anschließend an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen. Letztinstanzlich hat nun das Bundessozialgericht entschieden, dass dies zu Unrecht geschah.

Gründe

Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil festgesetzt, dass ein Elternteil auch dann Anspruch auf Elterngeld Plus haben kann, wenn die Erkrankung während der Bezugszeit dieser Bonusmonate erfolgt und aufgrund dessen keine Lohnfortzahlung mehr stattfindet. Nach Ansicht des Bundessozialgerichts gelten Eltern auch dann als erwerbstätig, wenn sie zwar tatsächlich aufgrund der Arbeitsunfähigkeit nicht arbeiten können, das Arbeitsverhältnis jedoch weiterbesteht und die Arbeit auch in Zukunft wieder aufgenommen werden wird.

Maßgeblich ist nämlich, dass die vorgesehene Anzahl an Wochenstunden aufgrund der ärztlich verschriebenen Arbeitsunfähigkeit nicht abgeleistet werden kann, das Elternteil jedoch grundsätzlich weiterhin Partei eines wirksamen Arbeitsvertrages ist und die Tätigkeit alsbald fortgesetzt werden soll.

Eine andere Auslegung der Richtlinie und des BEEG wäre nicht mit dem Schutzzweck des Gesetzes vereinbar, da das Ende der Lohnfortzahlung aufgrund einer längeren Erkrankung unverschuldet seitens des betroffenen Elternteils erfolgt. Sinn und Zweck des BEEG ist es jedoch gerade, beide Elternteile wirtschaftlich zu unterstützen, um zu garantieren, dass das Kind gut betreut wird. Bei einer gleichzeitigen Tätigkeit der Elternteile in Teilzeit soll sichergestellt werden, dass eine partnerschaftliche Versorgung des Kindes erfolgen kann.

Bewertung

Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf vier Monate Elterngeld Plus lediglich bei einer Erwerbstätigkeit beider Eltern im Rahmen von 25 bis 30 Wochenstunden. Können diese Wochenstunden aufgrund einer längerfristigen Erkrankung von einem Elternteil nicht abgeleistet werden, so kann das nach dem Urteil des Bundessozialgerichts nicht dazu führen, dass diesem Elternteil der Anspruch aberkannt wird.

Die Auslegung des Begriffes „erwerbstätig“ ergibt daher, dass eine Erwerbstätigkeit auch dann vorliegt, wenn zwar keine Lohnfortzahlung stattfindet aufgrund der Arbeitsunfähigkeit, das Elternteil jedoch nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.

Das Bundessozialgericht hat außerdem festgestellt, dass eine andere Lesart die Anreizfunktion, die mit dem Partnerschaftsbonus gesetzt werden soll, deutlich verringert werden würde.

Konstantin Theodoridis
Fachanwalt für Sozialrecht

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