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Miet- und Wohneigentumsrecht: Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten löst Verjährungsfristbeginn des § 548 Abs. 1 BGB aus

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 01.09.2023 – 30 U 195/22

Hintergrund

Der Kläger hatte seit 2009 Geschäftsräume an die Beklagte vermietet und mit ihm eine Mietdauer von einem Jahr vertraglich vereinbart, wobei sich der Vertrag um jeweils ein Jahr verlängern sollte, wenn er nicht drei Monate vor dem jeweiligen Jahresablauf gekündigt wird.

Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis „zum nächstmöglichen Zeitpunkt 17.06.2020“. Der Kläger wies den Beklagten darauf hin, dass das Mietverhältnis erst zum 30.04.2021 enden würde. Die Beklagte nutzte das Mietobjekt dennoch nur bis Ende 2021 und warf die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers.

Der Kläger wies die Schlüsselrückgabe zurück und forderte die Beklagte unter Androhung der Selbstvornahme auf, im Einzelnen benannte Mängel und Schäden bis spätestens zum 19.06.2021 zu beseitigen. Nach Fristablauf verlangte er die Zahlung von 47.292 € Miete und Schadensersatz.

Die Beklagte hat hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche die Einrede der Verjährung erhoben. Die Geltendmachung von Mietforderungen stelle zudem eine unzulässige Rechtsausübung dar. Denn es sei auf den ersten Blick nicht ersichtlich gewesen, wann das Mietverhältnis habe gekündigt werden müssen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 12.252 € zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 10.516 € zu zahlen. Die Berufung des Klägers und die weitergehende Anschlussberufung der Beklagten wurden zurückgewiesen.

Gründe

Die Beklagte war aufgrund der von ihr erhobenen Einrede der Verjährung zur Leistungsverweigerung berechtigt. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs vorliegend spätestens am 8.1.2021 in Lauf gesetzt worden war.

Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Rückerhalt i.S.d. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht identisch mit Rückgabe i.S.v. § 546 BGB. Rückerhalt setzt grundsätzlich die unmittelbare Sachherrschaft des Vermieters und eine Besitzveränderung zu seinen Gunsten voraus. Entscheidend ist, dass der Vermieter die Mietsache auf Veränderungen und Verschlechterungen ungestört untersuchen kann und der Mieter mit Kenntnis des Vermieters den Besitz vollständig und unzweifelhaft aufgibt. Das gilt auch, wenn das Mietverhältnis erst nach Rückerhalt endet; die Beendigung des Mietverhältnisses ist nicht Voraussetzung des Verjährungsbeginns.

Unstreitig hatte die Beklagte die Schlüssel am 31.12.2020 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen und das Mietobjekt auch verlassen. Darin war eine vollständige Besitzaufgabe zu sehen. Der Kläger hat von der Besitzaufgabe Kenntnis erlangt, als er die Schlüssel am 7.1.2021 in seinem Hausbriefkasten vorfand. Da die Beklagte das Mietobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatte, war für den Kläger die vollständige Besitzaufgabe auch nicht zweifelhaft. Dem Rückerhalt stand nicht entgegen, dass der Kläger zu einer Rücknahme der Mietsache nicht bereit war. In Rechtsprechung und Literatur werden zwar unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt, wenn der Mieter dem Vermieter anbietet, die Mietsache zurückzuerhalten, dieser sie jedoch nicht zurücknimmt.

Der Bundesgerichtshof hat die Beantwortung dieser Frage bislang offengelassen. Einer Entscheidung hierüber bedurfte es auch vorliegend nicht, denn nach sämtlichen vorgenannten Ansichten begann die Verjährungsfrist jedenfalls mit Rückerhalt des Mietobjektes durch den Vermieter und Aufgabe des Besitzes an diesem durch den Mieter. Der Kläger konnte die tatsächliche Inbesitznahme des Mietobjekts auch mit Blick auf das nur noch bis zum 4.6.2021 fortdauernde Mietverhältnis nicht berechtigt verweigern. Er war bereits gegenwärtig ohne weiteres dazu in der Lage, das Mietobjekt ungestört zu untersuchen, ohne dass eine Besitzposition der Beklagten verblieben war.

Da ein Vermieter jedenfalls in einer solchen Lage nicht den Eintritt der kurzen Verjährung zu Lasten des Mieters hinauszögern können soll, lässt sich der Erlangung des unmittelbaren Besitzes durch den Vermieter gleichsetzen, wenn er – wie aus den vorgenannten Gründen hier – davon absieht, die Mieträume in Besitz zu nehmen, obwohl er von der Besitzaufgabe durch den Mieter weiß und die Möglichkeit der Inbesitznahme hat.

Das Festhalten des Klägers an der zur Anwendung kommenden Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende der Mietzeit am 4.6.2021 erwies sich nicht als treuwidrig. Allerdings hat der Vermieter auch im Gewerberaummietrecht die Nebenkosten in angemessener Frist abzurechnen und kann nach Anlauf dieser Frist Vorauszahlungsforderungen nicht mehr geltend machen. Infolgedessen verblieb lediglich ein Mietzahlungsanspruch i.H.v. 10.516 €.

Bewertung

Für den Beginn der Verjährungsfrist kommt es auf den Rückerhalt der Mietsache an. Mit Rückerhalt ist gemeint, dass der Vermieter den Besitz über die Mietsache erlangt, also die tatsächliche Sachherrschaft. Wenn der Mieter dem Vermieter alle ihm zur Verfügung stehenden Schlüssel abgibt und sodann der Vermieter über die Schlüssel verfügen kann, ist auch allein der Vermieter in der Lage, die tatsächliche Sachherrschaft über die Mietsache auszuüben.

Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Vermieter dem Rückerhalt zugestimmt hat. Insbesondere bei einer kurzen Restmietzeit besteht kein Grund, weshalb der Vermieter den Rückerhalt berechtigt verweigern dürfte.

Es kommt außerdem nicht darauf an, ob das Mietverhältnis weiterhin fortbesteht. Die Beendigung des Mietvertrags ist für den Verjährungsfristbeginn nicht von Bedeutung. Der Sinn und Zweck der Verjährungsregelung, dass der Vermieter die Mietsache nun, nachdem der Mieter sie verlassen hat, ungestört auf Mängel untersuchen kann, wird dadurch nicht gefährdet.

Hagen Albus
Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht

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