
Bundessozialgericht, Urteil vom 20.07.2023 – B 12 BA 1/23 R u.a., Pressemitteilung Nr. 23 vom 20.07.2023
Hintergrund
Bei den beiden Versicherungspflichtigen handelt es sich zum einen um einen alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft (UG) und zum anderen um einen alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Mit diesen Kapitalgesellschaften schlossen Dritte Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen.
In zwei Verfahren ging es um Pflegedienstleistungen im stationären Bereich eines Krankenhauses, im dritten Fall um eine beratende Tätigkeit. Tatsächlich erbracht wurden die Tätigkeiten ausschließlich von den natürlichen Personen allein im Interesse der Krankenhausträgerin und unter Eingliederung in die Organisation des Krankenhauses. Ein für eine selbstständige Werk- oder Dienstleistung erforderlicher unternehmerischer Gestaltungsspielraum kam der UG nicht zu.
Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte in allen Fällen Versicherungspflicht aufgrund von Beschäftigung fest.
Gründe
Das Bundessozialgericht hat in allen drei Verfahren entschieden, dass – wie in anderen Statusverfahren auch – die jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände der Tätigkeit nach einer Gesamtabwägung über das Vorliegen von Beschäftigung entscheiden.
Verpflichtet sich eine Ein-Personen-UG gegenüber einem anderen Unternehmen vertraglich zur Erbringung von Tätigkeiten, die ihrer Art nach eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des anderen Unternehmens und eine Weisungsgebundenheit an dortige Weisungsgeber bedingen, sind ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen zwischen dem die Tätigkeit selbst ausführenden Gesellschafter-Geschäftsführer der UG und dem anderen Unternehmen zur Begründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich.
Daran ändert der Umstand nichts, dass Verträge nur zwischen den Auftraggebern und den Kapitalgesellschaften geschlossen wurden. Die Abgrenzung richtet sich vielmehr nach dem Geschäftsinhalt, der sich aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien und der praktischen Durchführung des Vertrages ergibt, nicht aber nach der von den Parteien gewählten Bezeichnung oder gewünschten Rechtsfolge.
Bewertung
In dem vorliegenden Fall war die natürliche Person, die alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der UG war, wie ein Arbeitnehmer weisungsabhängig für die GmbH beschäftigt. Dabei kam ihr kein eigener Gestaltungsspielraum zu, der eine selbstständige Tätigkeit begründen würde.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte daher die Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers der UG fest. Nach der im Sozialversicherungsrecht herrschenden Eingliederungstheorie genügt die tatsächliche Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation, um ein Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Auf einen etwaig vereinbarten Vertragszweck zwischen den Parteien des Beschäftigungsverhältnisses kommt es nicht an.
Im Rahmen eines solchen Statusfeststellungsverfahrens prüft die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung individuell den Sozialversicherungsstatus einer Person und legt ihn verbindlich für alle Bereiche der Sozialversicherung fest. Hiergegen können sich Betroffene zunächst per Widerspruch, ansonsten klageweise wehren.
Konstantin Theodoridis
Fachanwalt für Sozialrecht
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