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Versicherungsrecht: Prämienanpassung der privaten Krankenversicherung ist wirksam

Bundesgerichtshof, 12.07.2023 – IV ZR 347/22

Hintergrund

Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ist die Wirksamkeit einer Beitragserhöhung im Rahmen der privaten Krankenversicherung des versicherten Klägers strittig.

Der Kläger ist bei der beklagten Versicherung kranken- und pflegeversichert, wobei der Versicherungsvertrag die Möglichkeit einer Beitragsanpassung vorsieht. Demnach können die vom Kläger zu zahlenden Versicherungsbeiträge – die sogenannten Prämien – geändert werden, wenn sich die Versicherungsleistungen etwa aufgrund erhöhter Heilbehandlungskosten, gehäufter Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder einer steigenden Lebenserwartung ändern.

Um festzustellen, ob eine solche Änderung vorliegt, stellt der Versicherer regelmäßig einen Vergleich zwischen den jährlich erforderlichen Versicherungsleistungen und denen, die der Prämienberechnung zugrunde liegen, auf. Die Versicherungsvertragsklausel der Beklagten sieht dabei vor, dass eine Anpassung der Beiträge möglich ist, wenn eine Abweichung der tatsächlichen Versicherungsleistungen von den technisch berechneten und der Beitragsberechnung zugrunde gelegten Versicherungsleistungen von 5 % vorliegt.

Nachdem die Beklagte eine solche Abweichung feststellte, informierte sie den Kläger über die jährlich gestaffelte Erhöhung der Beiträge. Der Kläger hielt dies für unrechtmäßig und begehrte klageweise die Rückzahlung dieser erhöhten gezahlten Beiträge. Nachdem er sich zunächst ohne Erfolg an das Landgericht Neubrandenburg wandte, gab das nächstinstanzliche Oberlandesgericht Rostock dem Antrag des Klägers teilweise Recht. Dagegen wandte sich die beklagte Versicherung im Rahmen einer Revision an den Bundesgerichtshof.

Gründe

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die Prämienanpassung seitens der Krankenversicherung wirksam gewesen. Entsprechend der gesetzlichen Regelung des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes ist grundsätzlich eine Anpassung der Versicherungstarife nur möglich, wenn eine Abweichung der Versicherungsleistungen um 10 % vorliegt. Im vorliegenden Vertrag wurde jedoch eine Abweichungsmöglichkeit bereits bei 5 % vorgesehen.

Die Klausel ist dennoch gültig, so der Bundesgerichtshof, da die gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich erlauben, dass eine weitere Schwellengrenze in den Versicherungsbedingungen festgesetzt werden darf neben der im Gesetz vorgesehenen Grenze von 10 %. Diese Öffnungsklausel verpflichte den Versicherer nicht, bereits vorzeitig seine Tarife zu verändern, sie ermögliche ihm jedoch diese Option.

Diese Möglichkeit soll vor allem dazu dienen, die Versicherung bereits bei Abweichungen unter den gesetzlichen Grenzwerten von 10 % vor allem auch zugunsten des Versicherten die Tarife anpassen zu können. Das Versicherungsvertragsgesetz sieht vor, dass von den gesetzlich festgelegten Grenzwerten nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden darf. Im Rahmen der konkreten Klausel der Versicherung im vorliegenden Fall durften die Versicherungsbeiträge jedoch gerade auch zugunsten des Versicherten angepasst, also gesenkt werden.

Eine solche Versicherungsklausel, die bereits unterhalb der abweichenden Leistungen um 10 % eine Tarifanpassung vorsieht, wirkt außerdem einem sprunghaften großen Ansteigen der Tarifbeiträge entgegen. Um solche großen Sprünge in den Prämienbeiträgen zu vermeiden, wäre eine solche Klausel daher dienlich. Der Bundesgerichtshof urteilte daher, dass die Tarifanpassungsklausel den Kläger nicht unangemessen benachteilige und wirksam sei.

Bewertung

Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs klärt die bereits seit längerer Zeit strittige Frage, ob eine private Krankenversicherung die Tarifprämien ihrer Versicherungsnehmer auch bereits dann anpassen darf, wenn der gesetzlich vorgesehene Grenzwert von 10 % Abweichung der tatsächlichen Versicherungsleistungen von den als Tarifberechnungsgrundlage vorgesehenen Versicherungsleistungen noch nicht erreicht ist. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist dies zulässig.

Eine dauerhafte, an den tatsächlich erbrachten und benötigten Versicherungsleistungen orientierte Erhöhung und Absenkung der Tarifbeiträge ist maßgeblich auch im Interesse des Versicherten, da durch solche Tarifanschläge die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung gewährleistet wird. Die Tarifbeiträge daher dementsprechend anzupassen, ist daher nicht nur im Sinne der Versicherung, sondern auch im Sinne der gesamten Versicherungsgemeinschaft und mithin auch des Versicherten selber.

Konstantin Theodoridis
Anwalt für Versicherungsrecht

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