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Gesellschaftsrecht: Keine persönliche Haftung des Geschäftsführers für Kartell-Bußgelder des Unternehmens

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.07.2023 – VI-6 U 1/22 (Kart), Pressemitteilung Nr. 26/2023

Hintergrund

Die Klägerinnen dieses Falles waren zum einen eine GmbH und zum anderen eine AG, die den Beklagten, der als Geschäftsführer der AG tätig und gleichzeitig der Vorstandsvorsitzende der AG war, auf Schadensersatz in Anspruch nehmen wollten. Beide Unternehmen waren miteinander verbundene Edelstahlunternehmen.

Dem Beklagten wurde vorgeworfen, an einem Edelstahlkartell beteiligt gewesen zu sein, da er in dem Zeitraum von Juli 2002 bis Dezember 2015 regelmäßig Zugang zu wettbewerbsrechtlich sensiblen Informationen hatte und insbesondere auch in seiner weiteren Position als Vorstandsvorsitzender eines wichtigen Verbandes der Edelstahlbranche an dem Austausch dieser Informationen mitgewirkt hatte.

Im Rahmen eines kartellrechtlichen Bußgeldverfahrens wurden verschiedenen Edelstahlunternehmen und beteiligten Personen, so unter anderem auch dem Beklagten, von dem Bundeskartellamt eine Geldbuße von insgesamt über 355 Millionen Euro auferlegt. Auch die klagende GmbH wurde zu der Zahlung eines Bußgeldes in Höhe einer Summe von 4,1 Millionen Euro verpflichtet. Die klagende AG wurde jedoch nicht zu einer solchen Zahlung verurteilt.

Die GmbH verlangt gegenüber dem Beklagten Schadensersatz für das gezahlte Bußgeld in Höhe von 4,1 Millionen Euro. Die klagende AG wiederum fordert von dem Beklagten die Zahlung der Kosten, die ihr im Rahmen der Aufklärung und Beauftragung eines Rechtsanwaltes entstanden sind. Außerdem begehren die Klägerinnen die Feststellung, dass der Beklagte für sämtliche in Zukunft aufgrund des Sachverhalts rund um das Edelstahlkartell entstehende Schäden haften müsse.

Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage der GmbH und der AG teilweise dahingehend ab, dass ein Anspruch auf Erstattung des festgesetzten Bußgeldes sowie der Aufklärungs- und Rechtsanwaltskosten durch den Beklagten nicht begründet sei. Dem Feststellungsbegehren wurde jedoch dahingehend entsprochen, dass der Beklagte für zukünftige, aufgrund des Wettbewerbsverstoßes resultierende Schäden gegenüber den Klägerinnen haften müsse. Im Rahmen der Berufung vor dem Oberlandesgericht wurde dieses Urteil bestätigt.

Gründe

Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass die Beteiligung des Beklagten an dem kartellrechtswidrigen Austausch von Informationen etwa im Rahmen des Edelstahl-Vereinigung e. V. vorsätzlich und schuldhaft erfolgte, zumal dem Beklagten die Rechtswidrigkeit bewusst gewesen sein muss.

Dennoch besteht kein Anspruch der GmbH gegenüber dem beklagten Geschäftsführer auf Rückerstattung des gezahlten Bußgeldes. Hinsichtlich kartellrechtlicher Bußgelder, die gegenüber einem Unternehmen festgesetzt werden, besteht kein Anspruch auf Regress gegenüber dem Geschäftsführer oder dem Vorstand, da diese nicht persönlich für Bußgelder des Unternehmens haften.

Zweck des Kartellrechts ist es gerade, eine getrennte Haftung der handelnden Person und des betreffenden Unternehmens zu bewirken. Könnte das Unternehmen nun Regress bei dem handelnden Geschäftsführer nehmen, so würde diese getrennte Haftung aufgehoben werden und die von einem Bußgeld gegenüber dem Unternehmen ausgehende Sanktionswirkung abgeschwächt werden. Ein Unternehmen soll sich seiner kartellrechtlichen Haftung jedoch nicht entziehen können, indem es einen Erstattungsanspruch gegen die handelnde Person geltend machen kann.

Mit dieser Begründung wurde auch ein Anspruch der AG auf Erstattung der im Rahmen der Aufklärung und Beauftragung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten abgelehnt. Auch diese Kostenpunkte stehen nach Ansicht des Oberlandesgerichts in einer derart engen Verknüpfung zu den Bußgeldern gegen das Unternehmen, dass ein Regress abzulehnen ist.

Eine Haftung des beklagten Geschäftsführers und Vorstands für eventuelle zukünftige Ansprüche dritter Personen, die aufgrund der Bildung des Kartells bestehen, hat das Gericht jedoch bejaht.

Bewertung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt mit diesem Urteil, dass die Haftung eines Unternehmens für Bußgelder des Kartellamtes nicht unterwandert werden darf, indem das Unternehmen Regress bei dem ausführenden Geschäftsführer oder Vorstand nimmt. Das Kartellrecht bezweckt gerade eine getrennte Haftung der handelnden Person und des dahinterstehenden Unternehmens für rechtswidriges Verhalten. So sind in den kartellrechtlichen gesetzlichen Regelungen – auch der Höhe nach – unterschiedliche Bußgeldvorschriften für handelnde Personen einerseits und für Unternehmen andererseits festgelegt.

Daher haftet ein Geschäftsführer weder persönlich für die Bußgelder, die gegen das Unternehmen festgesetzt wurden, noch für im Zusammenhang mit einem Bußgeldverfahren entstandene Kostenpunkte. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist jedoch noch nicht rechtskräftig, da eine Revision zu dem Bundesgerichtshof möglich ist. Da diese Frage der persönlichen Haftung seit längerem sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung umstritten ist, wäre es demnach durchaus denkbar, dass eine höchstrichterliche Entscheidung im Rahmen einer Revision ergehen könnte.

Frank Sattler
Anwalt für Gesellschaftsrecht

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