Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 27.03.2023 – 9 U 52/22, Pressemitteilung Nr. 19/2023
Hintergrund
Geklagt hatte der spanische Eigentümer eines Lamborghinis, der diesen an eine Firma in Spanien vermietete, welche wiederum gewerbsmäßig Sportwagen vermietet und im Juli 2019 über diesen Lamborghini mit dem Mieter E ein Mietverhältnis für die Dauer von einer Woche abschloss. Der Mieter E hatte den Wagen nach Ablauf der Mietzeit nicht zurückgegeben, stattdessen wurde dieser – obwohl das Auto zur Fahndung ausgeschrieben war – von einer deutschen Zulassungsstelle mit einer 30-Tage-Zulassung zugelassen und online auf dem Portal mobile.de zum Verkauf angeboten.
Der Verkauf wurde durch die Brüder F durchgeführt, welche vorgaben, im Namen des E zu handeln. Der Beklagte zeigte Interesse an dem Fahrzeug und bot nach einer Besichtigung, welche auf dem Parkplatz einer Spielothek stattfand, an, den Wagen zu kaufen. Als Treffpunkt für den Kauf wurde eine Tankstelle vereinbart, das Treffen fand am 15.08.2019 um 23 Uhr statt. Nach einer Probefahrt durch die Beteiligten wurde der Kaufvertrag schließlich um 1 Uhr nachts am darauffolgenden Tag auf dem Parkplatz einer Burger-King-Filiale unterzeichnet.
Als Kaufpreis wurden 70.000 € in bar sowie die Übergabe und Übereignung des alten Lamborghinis des Beklagten im Wert von 60.000 € vereinbart. Dem Beklagten wurden die Zulassungsbescheinigung Teil I und II vom 01.08.2019 übergeben sowie der DEKRA-Prüfbericht vom selbigen Tag und die Fahrzeugschlüssel. Die Schreibweisen des Namens und der Adresse auf den Zulassungsbescheinigungen einerseits und auf dem Kaufvertrag andererseits wiesen dabei erhebliche Abweichungen auf. Außerdem wurde dem beklagten Käufer eine Kopie der Vorderseite des Personalausweises des angeblichen Eigentümers E präsentiert.
Aufgrund der Fahndung nach dem Auto konnte der Beklagte den gekauften Lamborghini nicht auf seinen Namen anmelden, da sich herausstellte, dass dieses Fahrzeug unterschlagen worden war. Der ursprüngliche Fahrzeugeigentümer verlangte die Herausgabe des Wagens und wandte sich daher klageweise an das Landgericht Osnabrück.
Die Klage wurde vor dem Landgericht Osnabrück abgewiesen, da dieses die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs erfüllt sah. Der Beklagte hatte kein positives Wissen hinsichtlich der fehlenden Eigentümerstellung des im Kaufvertrag als Verkäufer angegebenen E. Grobe Fahrlässigkeit sei dem Beklagten auch nicht vorzuwerfen. Dem Kläger sei der Lamborghini zudem nicht abhandengekommen, da er den unmittelbaren Besitz daran freiwillig an die Firma zum Zwecke der Vermietung herausgegeben habe.
Vor dem Oberlandesgericht Oldenburg hatte die Berufung des Klägers nun Erfolg.
Gründe
Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätten die Gesamtumstände des Autokaufs dem Beklagten Anlass zu Misstrauen geben müssen, sodass der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet sei. Zwar seien dem Beklagten beim Kauf die Original-Zulassungsbescheinigungen vorgelegt worden, jedoch hätte der Beklagte darüberhinausgehend aufgrund der gesamten Kaufsituation nicht mehr gutgläubig hinsichtlich der Eigentümerstellung des E sein können.
Zu diesen Gesamtumständen zählte das Gericht zum einen die unterschiedliche Schreibweise der Personaldaten des E in dem Kaufvertrag und den Zulassungsunterlagen, den Treffpunkt auf dem Parkplatz eines Imbisses und die Uhrzeit des Vertragsschlusses sowie die uneingeschränkte und fraglose Inzahlungnahme des alten Lamborghinis des Beklagten. Auch die Tatsache, dass der Beklagte lediglich mit den Brüdern F, nicht aber mit dem eigentlichen vermeintlichen Eigentümer E in Kontakt trat und sich ferner auch keine Vollmacht vorlegen ließ, trug aus Sicht des Gerichts zu den trügerischen Gesamtumständen bei.
Da es sich insbesondere um den Kauf eines kostspieligen Luxusfahrzeugs, welches erst wenige Tage zuvor in Deutschland zugelassen worden war, handelte, hätten all diese Umstände den Beklagten dazu verpflichtet, weitere Erkundigungen anzustellen und nachzuforschen. Da der Beklagte dies unterließ, ist der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet und er kann sich nicht darauf berufen, im guten Glauben hinsichtlich der Eigentümerstellung des vermeintlichen Verkäufers gehandelt zu haben.
Die Klage des spanischen Eigentümers ist daher begründet und der Beklagte muss den Wagen herausgeben.
Bewertung
Das Oberlandesgericht Oldenburg konkretisiert mit diesem Urteil die Anforderungen an eventuelle Nachforschungspflichten eines Autokäufers. Grundsätzlich sollte ein Verkauf stets durch den Eigentümer erfolgen. Ausnahmsweise ist jedoch ein gutgläubiger Erwerb von einem nicht zum Verkauf Berechtigten möglich, wenn der Käufer davon ausgeht, bei dem vermeintlichen Verkäufer handele es sich um den rechtmäßigen Eigentümer des Fahrzeugs. Ist dem Käufer jedoch bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, dass der Veräußerer des Autos nicht der Eigentümer ist, so scheidet die Möglichkeit eines Erwerbs aus, und der Käufer wird nicht neuer Eigentümer des Fahrzeugs.
Im vorliegenden Fall durfte der Käufer nicht davon ausgehen, dass der Kauf mit rechten Dingen zuging, da die Umstände des Kaufs verdächtig waren. Gerade die Akkumulation der vielen verschiedenen trügerischen Faktoren – von der differierenden Schreibweise der Personalien bis hin zu Ort und Uhrzeit des Vertragsschlusses – hätte den Käufer stutzig machen und zu Nachfragen anregen müssen. Dass der Käufer keine Zweifel äußerte war, angesichts dieser Häufung der bedenklichen Gegebenheiten daher grob fahrlässig.
Frank Sattler
Anwalt für Verkehrsrecht
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