
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.04.2023 – VII ZR 144/22, Pressemitteilung Nr. 73/2023
Hintergrund
Bei den Klägern handelt es sich um ein Paar, welches seinen geplanten Hochzeitstermin auf den 01.08.2020 gelegt hatte. Der von dem Paar für die standesamtliche Trauung beauftragte Fotograf war an diesem Datum terminlich verhindert, woraufhin die Kläger sich an die beklagte Fotografin wandten.
Die Beklagte erstellte daraufhin am 28.10.2019 ein für die Beauftragung dankendes Schreiben und berechnete zunächst als Vergütung für die „Reportage Hochzeit 01.08.2020 (1. Teilbetrag)“ eine Summe von 1.231,70 €, wobei insgesamt eine Vergütungssumme in Höhe von 2.463,70 € vereinbart wurde. Der „1. Teilbetrag“ wurde von den Klägern per Überweisung beglichen.
In einem Rahmen von 104 Gästen sollte die geplante Hochzeit stattfinden, was jedoch aufgrund der Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie nicht erlaubt war. Daher legten die Kläger als neuen Hochzeitstermin den 31.07.2021 fest und setzten die Beklagte in einer E-Mail vom 15.06.2020 darüber in Kenntnis, für diesen Termin den ursprünglich verhinderten Fotografen beauftragen zu wollen.
Daraufhin wandte sich die Beklagte mit einer weiteren Vergütungsforderung in Höhe von 551,45 € an die Kläger, wobei diese die Zahlung ablehnten. Die Kläger wiederum forderten die Rückzahlung des „1. Teilbetrags“ und erklärten, von dem Vertrag zurücktreten bzw. diesen kündigen zu wollen unter Verweis auf eine Störung der Geschäftsgrundlage.
Diese Forderung verfolgten die Kläger mit einer auf Rückzahlung der 1.231,70 € sowie darüber hinaus auf Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 309,40 € gerichteten Klage und begehrten außerdem die Feststellung, dass eine Verpflichtung zu der Zahlung von 551,45 € ihrerseits nicht bestand. Diese Klage blieb sowohl vor dem Amtsgericht als auch dem Landgericht Gießen ohne Erfolg. Die klägerische Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde ebenfalls zurückgewiesen.
Gründe
Der Bundesgerichtshof hat einen Anspruch auf Rückzahlung der 1.231,70 € und die Feststellung, dass die Kläger nicht zu einer weiteren Zahlung von 551,45 € verpflichtet seien, verneint und ist insofern den Ansichten des Revisionsgerichts gefolgt.
Ein Rückgewähranspruch ergab sich zunächst nicht daraus, dass die Leistung, zu der die beklagte Fotografin verpflichtet war, für diese unmöglich geworden war. Die Erbringung der fotografischen Tätigkeit war trotz der landesrechtlichen, durch die Pandemie bedingten Beschränkungsregelungen nicht unmöglich geworden. Vielmehr waren nach dem maßgeblich zu diesem Zeitpunkt geltenden Landesrecht sowohl die Durchführung kirchlicher Hochzeiten und Hochzeitsfeiern als auch die Erbringung von Dienstleistungen und Handwerkstätigkeiten möglich.
Zwar konnte die Hochzeit aufgrund der geltenden Mindestabstandsvorschriften von 1,5 m nicht wie ursprünglich geplant in einem Rahmen von 104 Gästen durchgeführt werden, jedoch war die Tätigkeit der Fotografin dadurch nicht unmöglich geworden.
Des Weiteren folgt aus den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage oder aus einer ergänzenden Vertragsauslegung kein Recht der Kläger auf Rücktritt, da gegenüber einer Störung der Geschäftsgrundlage eine ergänzende Vertragsauslegung vorgeht und sich aus dieser ergibt, dass aus der Verlegung des Hochzeitstermins aufgrund pandemiebedingter Umstände kein Rücktrittsrecht der Kläger folgt.
Da die Parteien sich redlich verhalten haben, ist der Umstand, dass die Kläger, nachdem sie den ursprünglichen Hochzeitstermin abgesagt hatten, einen anderen Fotografen beauftragten, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unerheblich. Daher ist bei der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu berücksichtigen, dass der Umstand, dass die Fotografin für den zweiten Hochzeitstermin nicht beauftragt wurde, allein aus dem Verantwortungsbereich der Kläger stammt.
Die Erklärung der Kläger, vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen kündigen zu wollen, wurde gerichtlich als Kündigung ausgelegt und dementsprechend der Vergütungsanspruch der Beklagten in einer Höhe von 2.099 € festgelegt, sodass weder ein Rückzahlungsanspruch der Kläger hinsichtlich der „1. Teilzahlung“ noch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten besteht und auch die Feststellungsklage unbegründet ist.
Bewertung
Der Bundesgerichtshof hat bereits in der Vergangenheit die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage auf pandemiebezogene Fälle bejaht. So wurde dies etwa hinsichtlich der Anpassung der Miete von Geschäftsräumen, die aufgrund von Beschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie schließen mussten, bejaht. Jedoch ist das Vorliegen einer Störung der Geschäftsgrundlage jeweils einzelfallbezogen zu beurteilen, und eine ergänzende Vertragsauslegung geht dieser vor.
Da Hochzeiten zu dem vereinbarten Hochzeitstermin nicht nach hessischem Landesrecht verboten waren, hätte das klägerische Paar dennoch heiraten können. Dass dies nur mit einer geringeren Gästeanzahl und unter Einhaltung des Sicherheitsabstandes hätte geschehen können, ist für die Tätigkeit der Fotografin nicht relevant. Diese hätte vielmehr dennoch ihre Leistung erbringen können, sodass ein Rücktrittsgrund des Paares nicht gegeben war.
Julia Wulf
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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