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Sozialrecht: Auch bei Vereinbarung von „freier Mitarbeit“ kann sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegen

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.2023 – L 4 BA 2739/20, Pressemitteilung vom 21.04.2023

Hintergrund

In dem vorliegenden Fall geht es um eine Gesamtkoordinatorin, die für einen Jazzclub zunächst aufgrund mündlicher Absprachen und im Weiteren im Rahmen eines Vertrags über „freie Mitarbeit“ tätig ist. Ihre Aufgaben umfassten die Koordination des Spielbetriebs, die Besetzung der Ticket-Hotline, die Kommunikation mit den Künstlern, sie assistierte dem künstlerischen Leiter und managte Konzerte.

Für die Ticket-Hotline und für Konzerte musste die Koordinatorin zu bestimmten Zeiten anwesend sein. So hat sie an vier Abenden und zwei Vormittagen pro Woche zur Verfügung stehen müssen.

Die Trägerin des Jazzclubs, eine gemeinnützige GmbH, ging deshalb klageweise gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund vor. Das Sozialgericht hat in erster Instanz die Klage zurückgewiesen. Nach Einlegung der Berufung von Seiten des Jazzclubs bestätigte das Landessozialgericht die Auffassung der vorherigen Instanz.

Gründe

Eine abhängige Beschäftigung ist insbesondere deswegen anzunehmen, weil der Koordinatorin – über einen Rahmenvertrag hinausgehend – ein fester Aufgabenbereich innerhalb der Betriebsorganisation der klagenden GmbH, nämlich die Koordination des gesamten Spielbetriebs, übertragen worden ist und nicht einzelne Aufträge.

Die Eingliederung in den Betrieb ergibt sich daraus, dass sie nicht etwa einen abgegrenzten Teil von Bürodienstleistungen übernommen hat, sondern eigenverantwortlich dafür zuständig gewesen ist, im Interesse der GmbH alle erforderlichen Arbeiten für den Jazzclub zu erledigen.

Auch die festgelegten Arbeitszeiten der Koordinatorin sprechen deutlich für die Eingliederung in den Betrieb und die Organisation. Die Koordinatorin hat auch kein nennenswertes Unternehmerrisiko getragen. Für eine selbständige Tätigkeit spricht weiter nicht entscheidend, dass die Koordinatorin auch für andere Auftraggeber tätig gewesen ist. Zum einen ist für die Statusbeurteilung auf den jeweiligen Einzelauftrag abzustellen und zum anderen kommt eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber auch etwa bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern vor.

Dem Umstand, dass die Beteiligten ihr Rechtsverhältnis als freie Mitarbeit bezeichnet haben, kommt keine entscheidende Bedeutung zu, da nach dem Gesamtbild der Tätigkeit die für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechenden Merkmale eindeutig überwiegen.

Bewertung

Die sogenannte Statusfeststellung ist eine regelmäßig wiederkehrende Problematik des Sozialversicherungsrechts. Im Rahmen der Statusfeststellung wird entschieden, ob es sich bei der Tätigkeit um eine selbstständige oder um eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung handelt.

Ihre Beantwortung hängt von den Verhältnissen im Einzelfall ab. Relevant sind Merkmale wie die Abhängigkeit von Weisungen, die Eingliederung in einen Betrieb und ein eigenes Unternehmerrisiko.

In diesem Fall sprachen sämtliche Einordnungskriterien für eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit der Koordinatorin. Die Benennung als „freie Mitarbeit“ im Vertrag zwischen dem Jazzclub und der Koordinatorin ist gerade kein relevantes Kriterium. Es kommt allein auf die tatsächlichen Gegebenheiten der Tätigkeit an.

Konstantin Theodoridis
Fachanwalt für Sozialrecht

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