Permalink

0

Medizinrecht: Ärzteportal Jameda.de darf Daten des Betroffenen auch ohne dessen Zustimmung speichern

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.12.2022 – VI ZR 60/21

Hintergrund

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Arzt, über den auf der Internetseite Jameda.de ein sogenanntes Basis-Profil besteht. Diese Basis-Profile werden von den Betreibern der Internetseite auf Grundlage von öffentlich-zugänglichen Daten über eine Vielzahl von Ärzten erstellt.

Der Kläger hatte keinerlei kostenpflichtige Angebote bei Jamenda.de gebucht und auch sonst nicht der Veröffentlichung seiner beruflichen Daten auf dem Portal zugestimmt. Er verlangte von den Betreibern der Internetseite klageweise die Löschung seiner Daten.

Der Bundesgerichtshof wies die Klage ab und gab damit dem beklagten Ärzteportal Jameda.de Recht.

Gründe

Der Kläger kann nicht auf Grundlage der DSGVO die Löschung seiner Daten verlangen. Es liegt ein Fall des berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO vor. Mit der möglichst vollständigen Aufnahme aller Ärzte auf dem Portal verschafft die Beklagte der Öffentlichkeit einen Überblick darüber, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden.

Das Interesse der Beklagten an dem Betrieb des Portals fällt damit zunächst in den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GRCh, der schon nach seinem Wortlaut nicht nur die Äußerung der eigenen Meinung, sondern auch die Weitergabe fremder Meinungen und Informationen schützt. Darüber hinaus gehört der Portalbetrieb, mit dem die Beklagte eine von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllt, gerade auch in seiner Ausprägung als Geschäftsmodell zur von Art. 16 GRCh geschützten gewerblichen Tätigkeit der Beklagten.

Schon aus diesen Gründen liegt der Betrieb des Portals im berechtigten Interesse der Beklagten; mit der damit verbundenen Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers nimmt sie somit eigene berechtigte Interessen wahr.

Berechtigte Nutzerinteressen nimmt die Beklagte mit dem Betrieb ihres Portals und der damit verbundenen Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers insoweit wahr, als sie aktiven Nutzern dadurch die von Art. 11 Abs. 1 GRCh geschützte Abgabe und Verbreitung einer Meinung ermöglicht und passiven Nutzern die – ebenfalls von Art. 11 GRCh erfasste – Möglichkeit verschafft, davon Kenntnis zu nehmen.

Auch ist die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten des Klägers zur Verwirklichung der berechtigten Interessen der Beklagten und ihrer Nutzer „erforderlich“. Zwar ist diese Voraussetzung restriktiv auszulegen; Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken. Vorliegend ist das Merkmal der Erforderlichkeit aber erfüllt.

Für den Betrieb des Bewertungsportals ist die von der Beklagten vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Daten der im Portal – möglichst vollständig – gelisteten Ärzte unabdingbar. Denn ohne deren hinreichende Identifizierbarkeit wäre ein solches Portal weder in der Lage, den Portalnutzern einen Überblick über die für sie und ihr Leiden infrage kommenden Ärzte zu verschaffen, noch, diese von den Nutzern des Portals bewerten zu lassen.

Die sich auf Namen, akademische Grade, berufsbezogene Informationen und abgegebene Bewertungen beschränkende Darstellung auf den Basis-Profilen erfüllt diesen Zweck und geht über das insoweit unbedingt Notwendige nicht hinaus.

Bewertung

Der Bundesgerichtshof hatte in der vorliegenden Entscheidung über einen Löschungsanspruch aus der DSGVO zu entscheiden. Als Verordnung der Europäischen Union wird eine darunterfallende Maßnahme nicht an den deutschen Grundrechten, sondern an den Grundrechten der Grundrechte-Charta der Europäischen Union gemessen.

Es war zu prüfen, ob sich aus der DSGVO ein Löschungsanspruch ergab. Dies wurde verneint, da die vom Kläger beanstandete Datenverarbeitung rechtmäßig war. Das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit wiegt hier stärker, als das Löschungsinteresse des Klägers. Dies gilt gerade deshalb, weil das Ärzteportal nur die Daten des Klägers verarbeitet, die für die Wahrung der berechtigten Interessen tatsächlich notwendig sind.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

Hier finden Sie einen Überblick unserer Anwaltskanzlei in Bonn.

 

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.