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Gesellschaftsrecht – Kein Stimmrecht eines Gesellschafters einer GbR als Richter in eigener Sache

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2023 – II ZR 76/21

Hintergrund

Geklagt hatte ein Gesellschafter, der nach italienischem Recht zu etwa 63 % an einer Gesellschaft „F“ beteiligt und ihr alleiniger Geschäftsführer war. Die restlichen ca. 37 % der Gesellschaft „F“ sind in der Hand einer italienischen Kommanditgesellschaft „E“, an welcher der Kläger wiederum als Komplementär zu 95 % beteiligt ist.

Im Mai 2012 gründeten die beiden Beklagten und der Kläger unter Beteiligung von jeweils einem Drittel eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) „K“, deren Tätigkeit darin bestehen sollte, Brillen zu vermarkten. Zu diesem Zwecke wurde eine Wortmarke „K“ bei dem Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen und von den Parteien eine GmbH „K“ gegründet, deren Geschäftsbereich sich ebenfalls auf die Herstellung, den Verkauf und den Vertrieb von Brillen erstrecken sollte.

Nachdem zwischen den Parteien Indifferenzen entstanden waren, untersagten die GmbH „K“ und die GbR „K“ der Gesellschaft „F“ und dem Kläger mit einem anwaltlichen Schreiben vom 17.09.2014, die gemeinsam eingetragene Marke „K“ weiter zu nutzen, da diese dazu nicht berechtigt seien. Außerdem hätten sowohl der Kläger als auch die Gesellschaft „F“ gegen die Rechte der GbR „K“ verstoßen.

Die Beklagten strengten daraufhin vor einem Zivilgericht in Mailand erfolgreich die Klage, der Gesellschaft „F“ die Nutzung der Marke „K“ zu untersagen, an. Außerdem fassten die Beklagten am 20.01.2017 im Rahmen einer Gesellschafterversammlung der GbR „K“ in der Position als deren Gesellschafter den Beschluss, die vertraglichen Beziehungen zwischen der GbR „K“ und der Gesellschaft „F“ zu beenden. Dies wurde dem Kläger, der nicht bei der Gesellschafterversammlung anwesend war, in einem Schreiben mitgeteilt.

Der Kläger wandte sich zunächst an das Landgericht Berlin mit dem Begehren, festzustellen, dass der Lizenzvertrag zur Nutzung der Marke „K“ nicht durch die Kündigung vom 17.09.2014 beendet wurde, und forderte den Ersatz des entstandenen Schadens. Das Landgericht bejahte eine Kündigungswirkung des Schreibens vom 17.09.2014 und wies die Klage im Übrigen ab. Der Kläger wandte sich dagegen an das Kammergericht Berlin, welches die Berufung zurückwies, woraufhin der Kläger Revision vor dem Bundesgerichtshof einlegte, welcher den Beschluss des Kammergerichts aufhob und die Sache zur neuen Entscheidung zurückverwies.

Gründe

Der Bundesgerichtshof verneint eine wirksame Kündigung des Lizenzvertrages durch das Schreiben vom 17.09.2014, da die Kündigung nicht auf einer wirksamen Beschlussfassung der Gesellschafter der GbR „K“ beruhte.

Die Gesellschafter der GbR „K“ konnten zwar eine Kündigung auch konkludent beschließen, und des Weiteren schadete es nicht, dass der Kläger nicht an dem Beschluss der Gesellschafter der GbR „K“ teilgenommen hatte, obwohl dies nach der Regelung des § 709 BGB, wonach für jedes Geschäft die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist, grundsätzlich erforderlich gewesen wäre.

Diese Vorschrift greift jedoch nicht, da den Kläger hinsichtlich der Fassung des Kündigungsbeschlusses ein Stimmverbot traf. Gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG hat ein Gesellschafter bei der Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts ihm gegenüber betrifft, kein Stimmrecht. Fraglich wäre grundsätzlich, ob diese Regelung bezüglich eines GmbH-Gesellschafters auch auf den Gesellschafter einer GbR analog angewendet werden kann, jedoch hat der Bundesgerichtshof diese Frage nicht entschieden, da schon aus dem Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt, dass kein Stimmrecht des Klägers besteht.

Soll mit einem Gesellschafterbeschluss ein Verhalten des Gesellschafters missbilligt werden – so wie im vorliegenden Fall durch die Kündigung der Kläger persönlich missbilligt werden sollte – so muss der betroffene Gesellschafter bei der Abstimmung außen vor bleiben.

Dennoch hat der Bundesgerichtshof den Beschluss der Kündigung als nicht wirksam erachtet, da der Kläger dennoch an dem Prozess der Beschlussfassung hätte beteiligt werden müssen, da ihm als Gesellschafter etwa zusteht, die Einhaltung der formellen Anforderungen an die Beschlussfassung sicherzustellen und seine Überzeugungen zu den Tagesordnungspunkten darzulegen.

Dies gilt insbesondere auch bei einer Fassung eines Beschlusses auf konkludente Art und Weise, obwohl diese gerade keine formellen Anforderungen zu erfüllen hat. Dennoch ist der Gesellschafter berechtigt, auf die Meinungsbildungsprozesse der anderen Gesellschafter einzuwirken, deren Willensbildung nachzuvollziehen und seine eigene Meinung kundzutun sowie Einwendungen geltend machen zu können. Die Feststellung, ob dem Kläger hinreichend Gelegenheit gegeben wurde, diese Rechte und Möglichkeiten wahrzunehmen, wurde durch das Kammergericht in der vorherigen Instanz nicht entschieden.

Bewertung

Der Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, ist eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, da insoweit die richterliche Unabhängigkeit gewahrt werden soll. Dieses Prinzip findet nicht nur im gerichtlichen Verfahren, sondern auch im Rahmen einer Abstimmung einer Gesellschafterversammlung über die Monierung des Verhaltens einer der Gesellschafter Anwendung.

Dadurch soll verhindert werden, dass ein Gesellschafter sein Stimmrecht missbräuchlich zu eigenen Gunsten einsetzen kann, indem er gegen die Missbilligung eigenen fehlerhaften Verhaltens stimmt. Da ein selbstloses Stimmverhalten des Gesellschafters, das lediglich zum Vorteil der Gesellschaft und nicht zum eigenen Vorteil ausgeübt wird, wohl eher nicht zu erwarten ist, soll das Stimmverbot somit die Unabhängigkeit der Entscheidung sicherstellen.

Trotz des Stimmverbots stehen dem Gesellschafter weiterhin seine Teilhaberechte zu, welche einschließen, dass er die Willensbildung der anderen Gesellschafter nachvollziehen, sich gegebenenfalls verteidigen und die Einhaltung von formalen Vorschriften kontrollieren können muss.

Michael Derix
Anwalt für Compliance

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