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Medizinrecht: Einreichen von kistenweisem Papier genügt Abrechnungsanforderungen nicht

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Entscheidung vom 20.01.2023 – L 4 KR 549/22 B ER, Pressemitteilung vom 06.02.2023

Hintergrund

Antragstellerin ist ein Testzentrum, welches eine Forderung gegen die Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen in Höhe von ca. 380.000,00 EUR geltend machte. Das Testzentrum hatte bereits zuvor ca. 220.000,00 EUR für die im Winter 2021/2022 durchgeführten Tests bei der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet.

Nachdem gegen das Testzentrum ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Abrechnungsbetrugs eingeleitet wurde, wurden die Zahlungen ausgesetzt und eine vertiefte Abrechnungsprüfung durchgeführt. Als das Ermittlungsverfahren im September 2022 eingestellt wurde, forderte das Testzentrum die Wiederaufnahme der Zahlungen. Den Eilantrag begründete das antragstellende Testzentrum damit, dass dem Unternehmen die Insolvenz und dem Geschäftsführer die Obdachlosigkeit drohe.

Die Kassenärztliche Vereinigung berief sich jedoch auf die noch laufende Prüfung, da es konkrete und deutliche Anhaltspunkte dafür gäbe, dass bedeutend weniger Tests durchgeführt, als abgerechnet wurden. Zudem entspricht die Testdokumentation nicht der vorgeschriebenen digitalen Form. Stattdessen wurden kistenweise Papier eingereicht, welches nachträglich verändert worden sein könnte. Darüber hinaus hat der Geschäftsführer des Testzentrums bereits zuvor bei der Handelsregistereintragung mehrere Vorstrafen wegen Betrugs verschwiegen.

Gründe

Das Landessozialgericht lehnte den Antrag des Testzentrums ab.

Die Abrechnung erbrachter Leistungen stellt im Medizinsektor das Kern-Element zur Kontrolle der Leistungserbringer dar und ist zu diesem Zweck streng formal geregelt und vom Leistungserbringer einzuhalten. Ohne die formal korrekte Abrechnung kann in Massenabrechnungsverfahren keine Leistungskontrolle und Qualitätssicherung stattfinden.

Ein Verstoß gegen die Abrechnungsbestimmungen kann dabei auch den vollständigen Ausfall des Entgelts zur Folge haben.

Bewertung

Ein Eilantrag kann zeitgleich mit Klageerhebung gestellt werden. Damit kann der Antragsteller aufgrund der Dringlichkeit einer bestimmten Situation eine möglichst schnelle Entscheidung erwirken, wenn zu erwarten ist, dass sich seine Lage während des langen Zeitraums eines Gerichtsprozesses verschlechtert.

Durch die Entscheidung über einen Eilantrag wird allerdings lediglich ein vorläufiger Zustand geschaffen, es darf nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen werden. Die Entscheidung über den Eilantrag gilt folglich nur solange, bis die Entscheidung in der Hauptsache getroffen wurde.

Im vorliegenden Fall hat das Landessozialgericht nicht etwa die Dringlichkeit, die der Antragsteller mit der Gefahr der Insolvenz und der Obdachlosigkeit begründete, verneint. Vielmehr sah es keine Aussicht auf Erfolg in der Hauptsache, da es der Auffassung war, die vertiefte Abrechnungsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigung sei aufgrund der hohen Relevanz der Leistungskontrolle berechtigt.

Dies gilt wohl umso mehr, wenn der Antragsteller selbst durch Einreichung mehrerer Kisten Papier nicht den formalen Anforderungen der Abrechnung gerecht wurde und damit das Abrechnungsverfahren erschwerte.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

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