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Familienrecht: Pflichtteilsstrafklausel wird nicht bei wertlosem Pflichtteil ausgelöst

Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 21.02.2023 – 21 W 104/22, Pressemitteilung Nr. 13 vom 06.03.2023

Hintergrund

Die Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten. Die Erblasserin hinterließ aus früherer Ehe eine Tochter, ihr verstorbener Ehemann hatte aus früheren Ehen zwei Töchter.

In dem gemeinschaftlichen Testament wurde zudem folgendes geregelt: „Wir gehen davon aus, dass unsere Kinder keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils erheben. Nach dem Tod des überlebenden Partners wird das Vermögen unter den Kindern (Namen der drei Töchter) zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ausgenommen ist dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat.“

Die Tochter der Erblasserin beantragte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein, der sie und eine der Töchter des Ehemannes zu je ½ als Erbinnen ausweisen soll, da die dritte Tochter nach dem Tod ihres Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht habe.

Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der Tochter zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die dritte Tochter hat ihren Erbanspruch nicht verwirkt. Nach dem Testament soll dasjenige Kind von der Schlusserbschaft ausgenommen werden, das nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat.

Die Sanktionswirkung wird damit nicht bereits durch die Geltendmachung des Pflichtteils ausgelöst, sondern es ist darüber hinaus – anders als bei den üblichen Pflichtteilsstrafklauseln – auch ein „erhalten“, also ein Mittelabfluss vom Nachlassvermögen erforderlich. Die dritte Tochter habe aber keinen Pflichtteil und auch sonst nichts aus dem Nachlassvermögen erhalten. Es kann damit dahinstehen, ob sie den Pflichtteil geltend gemacht hat, das es jedenfalls an dem „erhalten“ fehlt.

Das Argument der antragstellenden Tochter, die dritte Tochter habe ihren Pflichtteil erhalten, der aber „gleich null“ gewesen sei, überzeugt nicht. Ein wertloser Pflichtteil löst nicht die Sanktionswirkung der Pflichtteilsstrafklausel aus. Durch das „erhalten“ haben die Eheleute deutlich gemacht, dass es ihnen um das Zusammenhalten des Nachlassvermögens, dessen Werthaltigkeit und den Schutz des überlebenden Ehegatten ging.

Bewertung

Bei der Auslegung eines Testaments geht es nicht darum, wie ein Leser den Inhalt des Testaments verstehen durfte, sondern es wird allein der Wille des Erblassers ermittelt. Anders als bei den üblichen Pflichtteilsstrafklauseln war bei dem Testament im vorliegenden Fall Voraussetzung für die Sanktionswirkung, dass das Kind einen Pflichtteil „beansprucht und erhalten“ hat.

Die alleinige Geltendmachung eines Pflichtteils ist dafür nicht ausreichend gewesen. Es fehlte am „erhalten“ des Pflichtteils, da dieser hier, wie von der antragstellenden Tochter vorgetragen, wertlos war.

Durch das Erfordernis des Erhaltens war das Testament folglich dahingehend auszulegen, dass die Ehegatten den Mittelabfluss aus dem Nachlassvermögen verhindern wollten, das der Sicherung des überlebenden Ehegatten dienen sollte. Zu einem Mittelabfluss kam es hier jedoch nicht.

Matthias Gollor
Rechtsanwalt

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