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Sozialrecht: Kein Anspruch auf Kindergeld während Facharztausbildung

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.09.2022 – III R 40/21, Pressemitteilung Nr. 53 vom 10.11.2022

Hintergrund

Die Mutter einer im Mai 1997 geborenen Tochter hatte gegen die Familienkasse auf Zahlung des Kindergeldes geklagt. Nach Abschluss ihres Medizinstudiums begann die Tochter im Januar 2021 ihre mindestens 60 Monate umfassende Vorbereitungszeit zur Erlangung der Qualifikation als Fachärztin. Im Rahmen dessen trat sie in ein eine Arbeitszeit von 42 Stunden umfassendes Dienstverhältnis mit einer Klinik ein.

Während des Medizinstudiums zahlte die beklagte Familienkasse der Klägerin laufend Kindergeld. Die Klägerin teilte der Beklagten im Februar 2021 mit, dass das Medizinstudium ihrer Tochter beendet sei und beantragte eine Weiterzahlung des Kindergeldes wegen der Ausbildung zur Fachärztin bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, was die Familienkasse ablehnte. Als Grund führte die Familienkasse an, dass die Tochter nicht mehr für einen Beruf ausgebildet werde im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz.

Weiterhin hob die Familienkasse mit der Begründung der Beendigung des Medizinstudiums im März 2021 die Festsetzung des Familiengeldes ab April 2021 auf.

Die dagegen gerichteten Einsprüche der Klägerin wies die Familienkasse als unbegründet zurück, woraufhin die Klägerin lediglich auf den Monat April 2021 beschränkt ohne Erfolg vor dem Niedersächsischen Finanzgericht auf Zahlung des Kindergeldes klagte. Nach Ansicht des Finanzgerichts sei der Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 2 ausgeschlossen, da in dem Abschluss des Medizinstudiums der Abschluss eine Erstausbildung liege und die Tochter durch die Ausbildung zur Fachärztin einer Erwerbstätigkeit nachginge, bei der nicht der Fokus auf der Weiterbildung, sondern auf der Erbringung einer Arbeitsleistung liege.

Die Klägerin wandte sich mit ihrer Revision an den Bundesfinanzhof, welcher diese als unbegründet zurückwies.

Gründe

Der Bundesfinanzhof ist der Ansicht des Finanzgerichts, dass der Klägerin kein Anspruch auf Kindergeld zusteht. Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, werden unter anderem dann kindergeldlich berücksichtigt, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden.

In einer Berufsausbildung befindet sich – nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Darunter fallen sämtliche Maßnahmen, die dem Erwerb derartiger Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, die im Rahmen des angestrebten Berufs dienlich sind, nützen.

Wird eine solche Ausbildungsmaßnahme im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses vollzogen, so kann eine kindergeldliche Berücksichtigung nur erfolgen, wenn der Erwerb der beruflichen Qualifikationen, somit der Ausbildungscharakter, den Schwerpunkt der Tätigkeit darstellt und nicht etwa die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Arbeitsverhältnisses als Einheit ist daher zu erwägen, ob der Erwerbscharakter überwiegt, wobei dies gerade nicht monatsweise erwägt, sondern der Schwerpunkt der Maßnahme insgesamt untersucht werden soll.

Außer Betracht zu lassen ist bei der Erwägung außerdem, ob die Ausbildungsmaßnahme etwa durch eine Studienordnung vorgeschrieben ist und wie viel Zeitaufwand seitens des Kindes sie in Anspruch nimmt.

Im Rahmen der Ausbildung zum Facharzt liegt der Fokus auf dem Erwerbscharakter des Dienstverhältnisses und nicht auf den durchzuführenden Ausbildungsmaßnahmen. Die Facharztausbildung ist maßgeblich auf das Erlernen von Fähigkeiten durch den praktischen Einsatz und nur vermindert durch das theoretische Vermitteln von Wissen und Kompetenzen ausgerichtet. So waren im Rahmen der gesamten Arbeitszeit von 60 Monaten Weiterbildungskurse im Rahmen von 80 Stunden vorgesehen.

Dies genügt nicht, um den schwerpunktmäßigen Charakter der weisungsgebundenen ärztlichen Tätigkeit als Arbeitnehmerin aufzuwiegen. Der Tatbestand der Berufsausbildung, den § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz voraussetzt, ist somit zu verneinen.

Bewertung

Eine Gewährung von Kindergeld in dem Zeitraum der Absolvierung einer Facharztqualifikation ist somit ausgeschlossen, da der erwerbsrechtliche Aspekt der Facharztausbildung stärker wiegt als der ausbildungsgeprägte Aspekt der Wissensvermittlung. Zwar wird sich der Arbeitnehmer während der Ausbildung zum Facharzt weiterhin Kenntnisse aneignen, jedoch geschieht dies vornehmlich durch die Praxis als Arzt.

Im vorliegenden Fall hatte die Tochter ihre Qualifikation als Ärztin bereits zuvor durch ihre ärztliche Prüfung erlangt und ihre dementsprechenden Kenntnisse bereits eingesetzt. Konsequenterweise erhielt die Tochter auch eine für eine Ärztin angemessene Vergütung und nicht lediglich ein vermindertes Ausbildungsgehalt.

Die Zahlung eines Kindergeldes durch die Familienkasse, welches die grundlegende Versorgung der Kinder sichern und Familien fördern soll, war daher im vorliegenden Fall zu Recht nicht angezeigt.

Konstantin Theodoridis
Fachanwalt für Sozialrecht

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