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Medizinrecht: unterzeichnetes Formular stellt Indiz für den Inhalt eines Aufklärungsgesprächs dar

Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 08.12.2022 – 12 U 21/21

Hintergrund

Der Kläger hatte im Jahr 2017 beim beklagten Arzt eine LASIK-Behandlung am rechten Auge unter Vollnarkose durchführen lassen. Bei der LASIK-Behandlung handelt es sich um eine Augenlaser-Methode zur Behebung von Fehlsichtigkeiten. Da es während der Operation zu Komplikationen kam, brach der Beklagte die LASIK-Behandlung am rechten Auge ab und führte stattdessen eine photorefraktive Keratektomie (PRK) an beiden Augen durch. Auch dabei handelt es sich um eine Laserbehandlung zur Korrektur von Fehlsichtigkeiten.

Der Kläger warf dem Beklagten daraufhin vor, den Eingriff nicht abgebrochen, sondern durch Wechsel auf die PRK fortgesetzt zu haben. Durch die Behandlung sei es bei ihm zu Beschwerden wie irregulärer Astigmatismus, einer Sehverschlechterung, Narbenbildung, Trockenheit und Schmerzhaftigkeit der Augen gekommen. Darüber hinaus sei er nicht über die erhöhten Risiken des Eingriffs unter Vollnarkose und über die Behandlung des linken Auges informiert worden.

Das Landgericht hat nach Einspruch des Beklagten gegen ein Versäumnisurteil die Klage abgewiesen. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein, die vor dem Oberlandesgericht erfolglos blieb.

Gründe

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht zu, da keine Behandlungsfehler des Beklagten vorliegen.

Das Gericht darf seine Überzeugungsbildung auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Aufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und ein Aufklärungsgespräch unstreitig erfolgt ist. Laut eigenen Angaben sei dem Arzt das Aufklärungsgespräch zwar nicht im Gedächtnis geblieben, allerdings stellt das von beiden Parteien unterzeichnete Formular, in dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff erklärt hatte, ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs dar.

Der Beklagte hat die Aufklärung des Patienten über einen möglichen Wechsel der Behandlungsmethode glaubhaft dargestellt. Insbesondere die handschriftliche Ergänzung des Beklagten in jenem Formular, in dem er die entsprechende Stelle unterstrichen und mit der Notiz „gerade in Narkose“ versehen hatte, trug zur Überzeugung des Gerichts bei, dass es gerade aufgrund des Narkosewunsches des Klägers zu Komplikationen und einem Wechsel der Behandlungsmethode kommen könne.

Bei den beiden Behandlungsalternativen handelt es sich zudem um zwei Methoden mit ähnlichen Risiken und Erfolgschancen, sodass keine zusätzliche Aufklärungspflicht bestand und es nicht schadete, dass der beklagte Arzt den Patienten nicht weiter über die PRK aufgeklärt hatte.

Darüber hinaus hat der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung seinen Entscheidungskonflikt nicht plausibel dargestellt. Er gab lediglich an, er hätte einer PRK nicht zugestimmt, weil diese unter Vollnarkose nicht möglich sei. Dies ist unzutreffend. Selbst im Rahmen einer hypothetischen Einwilligung des Patienten gab der Kläger an, er hätte bei einer Aufklärung über die PRK nochmals über die Durchführung der Operation nachgedacht. Während solche Zweifel im Nachhinein zwar verständlich sind, lässt sich daraus aber nicht erkennen, dass er im Vorhinein tatsächlich von der Operation Abstand genommen hätte.

Bewertung

Bei einem vom Patienten gerügten Behandlungsfehler bzw. einem durch den Arzt verursachten Schaden trägt der Arzt im Prozess grundsätzlich die Beweislast für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Aufklärungsgesprächs. Der Arzt muss also beweisen, dass er den Patienten aufgeklärt hat oder der Patient bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte.

Dabei muss der Arzt sich selbst aber nicht an das Aufklärungsgespräch erinnern, sondern es genügt, dass er ein von ihm selbst und dem Patienten unterschriebenes Formular vorlegen kann, aus dem hervorgeht, dass er über die vom Kläger vorgebrachten Vorwürfe aufgeklärt und der Patient zugestimmt hat.

Im vorliegenden Fall lag bereits das erforderliche Aufklärungsgespräch vor. Darüber hinaus konnte der Patient allerdings auch nicht darstellen, dass er sich bei Vorliegen eines umfassenden Aufklärungsgesprächs, dessen Fehlen er rügte, gegen die Operation entschieden hätte.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

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