Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 08.07.2021 – 1 Ca 308/21, Pressemitteilung 2/2021 vom 30.08.2021
Hintergrund
Der Kläger ist bei der Beklagten als Auszubildender zum Gebäudereiniger beschäftigt. Dafür schlossen die Parteien zum 01.09.2020 einen Ausbildungsvertrag mit vereinbarter Ausbildungsvergütung von 775 EUR ab. Die Beklagte meldete den Kläger jedoch nie bei der Berufsschule und das Ausbildungsverhältnis nicht bei der Gebäudereiniger-Innung an.
Anstelle eines Ausbildungsplans erhielt der Kläger lediglich eine einmalige Einweisung in den Beruf und arbeitete fortan 39 Wochenstunden als Reinigungskraft zu den vereinbarten Gehaltskonditionen eines Auszubildenden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Gründe
Der Kläger hat für die von ihm geleistete Arbeitszeit einen Anspruch auf das Tarifgehalt eines ungelernten Arbeiters.
Ein Auszubildender, der nach Art und Umfang als ungelernte Arbeitskraft eingesetzt wird, ohne im Rahmen dessen ausgebildet zu werden, erbringt Leistungen, zu denen er nach dem vereinbarten Ausbildungsvertrag nicht verpflichtet ist. Die von ihm erbrachten Leistungen sind deshalb nicht schon mit Zahlung der Ausbildungsvergütung abgegolten.
Dem Kläger steht daher in entsprechender Anwendung des § 612 BGB ein Anspruch auf die übliche Vergütung eines ungelernten Arbeitnehmers zu. Im vorliegenden Fall wäre dies die tarifliche Vergütung nach der Lohngruppe 1 des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung.
Gegen das Urteil könnte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln einlegen.
Bewertung
Wenn ein Arbeitgeber einen Auszubildenden einstellt, spart er zwar bei der Vergütung, trägt jedoch die Kosten für dessen Ausbildung, z.B. für die Berufsschule. Der Auszubildende profitiert selbstverständlich von der Ausbildung und der Qualifikation, die er dadurch erhält.
Leistet nun der Auszubildende wie eine vollwertige Arbeitskraft, ohne dabei die Ausbildung zu erhalten, so stellt sein geringes Gehalt keine gleichwertige Gegenleistung dar. Der Unterschied ist bedeutend: nach Tarifvertrag verdient der vermeintlich Auszubildende nun doppelt so viel.
Ob die Beklagte Berufung einlegt, bleibt abzuwarten.
Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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