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Arbeitsrecht: Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20

Hintergrund

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Automobilproduzenten, beschäftigt. In einer Nachtschicht vom 1. auf den 2. Mai 2019 zog der Kläger einem Leiharbeitnehmer die Arbeitshose samt Unterhose herunter, sodass auf diese Weise seine Genitalien vor anderen Arbeitskollegen entblößt waren. Der Leiharbeitnehmer beschwerte sich daraufhin bei seiner Arbeitgeberin.

Nach mehreren Personalgesprächen wurde der Kläger mit Schreiben vom 21. Mai 2019 und erneut mit Schreiben vom 5. Juni und 19. August 2019 von der Beklagten außerordentlich fristlos gekündigt.

Mit der Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der drei Kündigungen geltend gemacht. Ein wichtiger Grund liege nicht vor. Die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist nicht gewahrt und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört. Außerdem habe der Leiharbeitnehmer ihm sechs Monate zuvor die Hose heruntergezogen.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht wies die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurück. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag nun weiter.

Gründe

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung hätte das Landesarbeitsgericht die Berufung nicht zurückweisen dürfen. Mit den bisher getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht über die Kündigungsschutzklage befinden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Sache an die Vorinstanz.

Aus dem Berufungsurteil ergibt sich nicht, dass der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung unter Wahrung der Klagefrist geltend gemacht hat. Es fehlt zudem an Feststellungen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen habe.

Ob die Kündigung aus anderen Gründen unwirksam ist, hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich offengelassen. Der Kläger hatte unter anderem das Fehlen eines wichtigen Grundes geltend gemacht, dessen Feststellung nicht vorliegt.

Das vom Landesarbeitsgericht festgestellte Verhalten des Klägers ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung zu bilden. Es handelt sich um eine erhebliche Verletzung seiner Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Beklagten und darüber hinaus um einen entwürdigenden Eingriff in seine Intimsphäre, damit um eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zudem kann es sich um sexuelle Belästigung gehandelt haben. Dies wäre ebenfalls eine Verletzung vertraglicher Pflichten und als wichtiger Grund geeignet.

Bewertung

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist nachvollziehbar. Das Landesarbeitsgericht hat nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts die Interessen des Opfers sexueller Belästigung nicht ausreichend berücksichtigt, sodass sich daraus ein für die außerordentliche Kündigung erforderlicher wichtiger Grund ergeben hätte.

Wie das Landesarbeitsgericht nach der Zurückverweisung entscheiden wird, bleibt abzuwarten.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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