Permalink

0

Medizinrecht: Krankengeld trotz verspätetem Attest

Sozialgericht München, Urteil vom 17.06.2020 – S 7 KR 1719/19, Pressemitteilung vom 06.07.2020

Hintergrund

Der Kläger war montags bei einem Arzt vorstellig, um eine erneute Krankschreibung zu bekommen. Aufgrund einer Personalknappheit in der Praxis des betreffenden Arztes, genau genommen einer fehlenden Schreibkraft, konnte die Bescheinigung nicht noch am gleichen Tag ausgestellt werden. Stattdessen erhielt der Patient sie erst am darauffolgenden Samstag. Noch am selben Tag versandte der Kläger die Bescheinigung.

Die Krankenkasse verweigerte ihm jedoch das Geld für die Zeit zwischen der Untersuchung und dem Erhalt der Bescheinigung, da er sich auch per Telefon oder Fax weiterhin krankmelden hätte können.

Das Sozialgericht München ist dieser Argumentation nicht gefolgt.

Gründe

Das Sozialgericht München argumentiert, dass die unzureichende Personalverfügbarkeit des Arztes nicht in dem Risikobereich des Patienten, sondern in der der Krankenkasse liege. Dieses Argument baut darauf auf, dass die Krankenkasse sich ausdrücklich dafür zugelassenen Kassenärzten bediene und die Krankenkasse sich diese Versäumnis zurechnen lassen müsse, wenn der Arzt aufgrund von mangelhafter Büroorganisation nicht umgehend nach der Untersuchung die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen kann.

Dem Arbeitnehmer stehe folglich das Krankengeld auch dann zu, wenn er das Attest für die fortdauernde Krankschreibung bei seiner Krankenkasse erst verspätet vorlegt, weil der untersuchende Arzt es ihm erst nachträglich zugeleitet hat.

Bewertung

Das Gericht hat hier richtigerweise die Verantwortung für die späte Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht auf den Patienten abgewälzt, sondern nimmt die Krankenkasse in die Pflicht. Einem niedergelassenen Arzt kann zugemutet werden, eine solche Bescheinigung unverzüglich auszustellen, da dies zum Routinebetrieb einer Arztpraxis gehört und gängige Praxis ist. Da Krankenkassen über die Kassenärztliche Vereinigung mit den Kassenärzten in einem Verhältnis stehen, ist die Zurechnung auf die Krankenkasse sachgemäß.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

Lesen Sie mehr zu den Schwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.