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Arbeitsrecht: Freie Mitarbeiter von Geltungsbereich des EntgTranspG erfasst

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.06.2020 – 8 AZR 145/19, Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht Nr. 17/20

Hintergrund

Die Klägerin des Verfahrens ist seit dem Jahre 2007 als Redakteurin für die beklagte Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts tätig – zunächst bis einschließlich Juni 2011 als online-Redakteurin auf Basis befristeter Verträge, dann ab Juli 2011 auf Grundlage eines unbefristeten Vertrags als freie Mitarbeiterin – „Redakteurin mit besonderer Verantwortung“. Maßgeblich für die Beschäftigung war ein Tarifvertrag.

Mit Schreiben vom 1. August 2018 begehrte die Klägerin vom Personalrat auf Grundlage von § 10 Abs. 1 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) Auskunft:

(1) Zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots im Sinne dieses Gesetzes haben Beschäftigte einen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16. Dazu haben die Beschäftigten in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen. Sie können Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Abs. 1 und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen.

Den lehnte der Personalrat jedoch ab. Er begründete die Ablehnung mit einer vorherigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, dass anerkannte, dass die Klägerin keine Arbeitnehmerin im Sinne des innerstaatlichen Rechts sei. Demnach bestehe für sie als nur freie Mitarbeiterin kein Auskunftsanspruch.

Das über die Klage der Klägerin infolge der Ablehnung des Auskunftsanspruchs entscheidende Arbeitsgericht und das in zweiter Instanz entscheidende Landesarbeitsgericht (LAG) pflichteten dem Personalrat bei und stellten ebenfalls auf die fehlende Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin ab.

Diese Beurteilung kippte jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft.

Gründe

Der entscheidende Achte Senat bejahte eine Arbeitnehmerstellung der Klägerin im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG und damit eine Stellung als Beschäftigte im Sinne des streitgegenständlichen § 10 Abs. 1 EntgTranspG.

Für diese Annahme stellten die Erfurter Richter auf die Richtlinie 2006/54/EG und den darin enthaltenen Arbeitnehmerbegriff ab. Sollte eine entsprechende Stellung der Klägerin abgelehnt werden, würde dem aus der Richtlinie resultierenden „Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit im Deutschen Recht“ nicht Rechnung getragen.

Ob tatsächlich ein Anspruch besteht, entschied das BAG nicht. Es verwies die Sache nun zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

Bewertung

Nun müsste vor dem LAG geklärt werden, welche Kollegen als Vergleichsmaßstab überhaupt heranzuziehen sind. Die Vorstufe zu dieser Frage ist nun eindeutig durch das BAG beurteilt: Auch freie Mitarbeiter fallen unter das Entgelttransparenzgesetz. Die Rückführung der Begründung auf den weiten Arbeitnehmerbegriff des Europarechts ist notwendig, um dem Umsetzungsauftrag der genannten Richtlinie zu entsprechen. Gleichwohl entspricht diese Auslegung des Begriffs nicht den Maßgaben nach der historischen Betrachtung und der Betrachtung des Wortlauts. Letzter schließt eindeutig freie Mitarbeiter aus und auch die Gesetzgebungsmaterialien liefern keine Anhaltspunkte für die Einbeziehung eines freien Mitarbeiters in den Geltungsbereich der Norm. Aber wie gesagt: Maßgebliches Kriterium ist das Europarecht.

Mit seiner Entscheidung umgeht das BAG einen Gang nach Luxemburg und reiht sich so in die Europarechtskonformität ein.

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung durchaus weitreichende Folgen. Zukünftig dürften vermehrt freie Mitarbeiter einen Anspruch gemäß EntgTranspG geltend machen.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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