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Sozialrecht: Jobcenter muss Kosten für Berufskleidung übernehmen

LSG Niedersachsen-Bremen v. 26.5.2020 – L 11 AS 793/18, Pressemitteilung Nr. 12/2020 vom 22.06.2020

Hintergrund

Der Kläger, ein 17-Jähiger aus Niedersachsen, interessiert sich für den Beruf des Kochs und benötigt zum Berufseinstieg eine dementsprechende Bekleidungsgarnitur im Wert von 115€. Da die Familie des Klägers Hartz-IV-Leistungen bezieht, bat er das Jobcenter um Erstattung des Kaufpreises.

Der Antrag wurde abgelehnt. Als Begründung wurde angeführt, dass der Kläger bereits die gesetzliche Schulbedarfspauschale erhalten habe. Von diesen Pauschalbeträgen seien alle Gegenstände zu bezahlen, die für den Schulbesuch erforderlich seien und eine andere Art der finanziellen Hilfe wäre im Sozialgesetzbuch nicht vorgesehen. Folglich solle die Bekleidung durch den Regelbedarf finanziert werden.

Das Landessozialgericht hat erstmalig das Jobcenter zur Übernahme der Kosten verurteilt.

Gründe

Das Landessozialgericht argumentiert, dass der Regelbedarf nicht die Anschaffungskosten für schulische Berufskleidung umfassend abdeckt. Ein 17-jähiger Empfänger der Regelleistung erhält einen monatlichen Betrag von 306 Euro. Dieser Betrag ist so konzipiert, dass er sich nicht ansparen lässt und folglich keine unvorhergesehenen, höheren Kosten gedeckt werden können. In diesem Fall handele es sich also um eine Bedarfsunterdeckung, sollte die Berufskleidung von dem Regelbedarf bezahlt werden müssen, womit das menschenwürdige Existenzminimum nicht gewährleistet werde.
Auch die Schulbedarfspauschale erfasse lediglich die persönliche Ausstattung eines Schülers, wie zum Beispiel seine Schultasche und Gebrauchsmaterial zum Schreiben, nicht aber Berufskleidung.

Der Wortlaut des Gesetzes sei nicht ausreichend, um das Existenzminimum von Schülern zu gewährleisten. Es bedarf daher von Seiten des Gerichts einer verfassungskonformen Auslegung des Gesetzestextes, um diese Lücke zu schließen.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der Senat die Revision zugelassen.

Bewertung

Da der Gesetzgeber erkennen lässt, dass ein Schüler finanziell dazu in der Lage sein soll, seine Ausbildung zu meistern, ist der Entscheidung des Landessozialgerichts zuzustimmen. Es muss zumindest das Existenzminimum der finanziell benachteiligten Schüler gedeckt sein, unabhängig davon, ob der gewählte Werdegang weitere Investitionen, wie Berufskleidung, verlangt.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Sozialrecht

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