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Medizinrecht: Pharmaunternehmen dürfen Apotheken Gratismuster nichtverschreibungspflichtiger Medikamente zur Verfügung stellen

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 11.06.2020 – C-786/18, Pressemitteilung Gerichtshof der Europäischen Union Nr. 70/20 vom 11.06.2020

Hintergrund

Ein deutsches Pharmaunternehmen hatte auf dem Gerichtsweg geltend gemacht, dass die Praxis eines anderen deutschen Pharmaunternehmens, Gratismuster eines nichtverschreibungspflichtigen Medikamentes mit gleichem Wirkstoff an Apotheker zu geben, gegen das Arzneimittelgesetz verstößt. Die Abgabe würde eine unzulässige Gewährung von Werbegaben darstellen, da im Sinne des Gesetzes nur Ärzte, nicht aber Apotheker solche Gratismuster erhalten dürften.

Nachdem das Unternehmen in den ersten Instanzen erfolgreich war, setzte der Bundesgerichtshof (BGH) das Revisionsverfahren aus und wandte sich an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren, um klären zu lassen, wie die für das Arzneimittelrecht maßgebliche Richtlinie – Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Kodex) – auszulegen ist. Konkret stellte der BGH die Frage, ob gemäß des Kodex die Erlaubnis für Pharmaunternehmen besteht, Gratismuster von Arzneimitteln an Apotheker zu geben.

Der EuGH legte nun mit Urteil vom 11. Juni den Kodex dahingehend aus, dass die Weitergabe von Gratismustern an Apotheker durch Pharmaunternehmen bei nichtverschreibungspflichtigen Medikamenten zulässig ist. Unzulässig ist hingegen die Weitergabe von Gratismustern verschreibungspflichtiger Medikamente an Apotheker.

Bewertung

Die Entscheidung des EuGH umgeht die Regelung des deutschen Arzneimittelgesetzes – § 47 Abs. 3 AMG. Nach deutscher Rechtslage ist eine Weitergabe von Mustern an Apotheken nicht zulässig, auch nicht im Fall nichtverschreibungspflichtiger Medikamente. Mit seiner Entscheidung kommt der EuGH damit Apothekern einen großen Schritt entgegen.

Ob in diesem Lichte des Urteils die deutsche Norm Bestand haben wird, erscheint zweifelhaft.

Nun wird der BGH wohl im Einklang mit der luxemburgischen Rechtsprechung den Ausgangsstreit entscheiden und die Weitergabe von Gratismustern des nichtverschreibungspflichtigen Medikamentes für zulässig beurteilen.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

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