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Arbeitsrecht: Geltung eines Tarifvertrages darf nicht von Einführung einer Bezugnahmeklausel in Arbeitsvertrag abhängig gemacht werden

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.05.2020 – 4 AZR 489/19, Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht Nr. 14/20

Hintergrund

Die Klägerin – selbst Mitglied der IG Metall – begehrte die Zahlung von Differenzentgelt auf der Grundlage der Bestimmungen eines zwischen ihrem Arbeitgeber (Beklagten) und der IG Metall geschlossenen Mantel-und Entgeltrahmentarifvertrags. Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthielt keine Bezugnahmeklausel auf tarifvertragliche Regelungen, wurde jedoch zeitlich vor dem Tarifvertrag geschlossen.

Im Tarifvertrag ist festgelegt, dass „Ansprüche aus diesem Tarifvertrag [voraus]setzen …, dass die Einführung des Tarifwerks auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird“. Hierzu war beabsichtigt, eine Bezugnahmeklausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, die festschreibt, dass sich das Arbeitsverhältnis „nach dem jeweils für den Betrieb aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers … geltenden Tarifwerk“ richtet.

Das Angebot der Beklagten einen neuen Arbeitsvertrag mit entsprechender Bezugnahmeklausel abzuschließen, lehnte die Klägerin jedoch ab. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung des Differenzentgelts

In letzter Instanz konnte sie sich mit ihrem Begehren vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) trotz Ermangelns einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag durchsetzen.

Gründe

Die Erfurter Richter sprachen der Klägerin bereits aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit Ansprüche aus dem Tarifvertrag zu. Es sei nicht möglich, diese Ansprüche von vorgesehenen individualrechtlichen Umsetzungsmaßnahmen der Arbeitsvertragsparteien abhängig zu machen. Die Richter verwiesen hierzu auf § 4 Abs. 1 TVG.

Das BAG titulierte tarifvertragliche Bestimmungen, die die Erforderlichkeit arbeitsvertraglicher Nachvollziehung verlangen als unwirksam.

Bewertung

Das BAG setzt mit seiner Entscheidung erneut ein arbeitnehmerfreundliches Signal. Die bisher oft gängige Praxis, deren Klauseln das BAG mit seinem Urteil als unwirksam erachtet, hat damit ein Ende. Bisher war es für Arbeitgeber gut möglich, etwaige Differenzen zwischen den Arbeitsverträgen bei Abschluss von Tarifverträgen im gesamten Betrieb „glattzuziehen“ und dadurch einheitliche Regelungen zu schaffen.

Das BAG bekennt jetzt klar, dass im Sinne von § 4 Abs. 1 TVG für die Begründung von Ansprüchen eine Tarifgebundenheit allein ausreichend ist. Arbeitnehmer werden künftig auch ohne Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages Vorteile auf Grundlage eines Tarifvertrages beanspruchen können.

Dr. iur. Christoph Roos

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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