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Sozialrecht: Unzulässigkeit der Vorlage an das BVerfG zum Ausschluss von Sozialleistungen für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht

BVerfG vom 26.02.2020 – 1 BvL 1/20 (BVerfG online PM Nr. 15/2020 vom 04.03.2020)

Hintergrund

Ausländer in Deutschland, die kein Aufenthaltsrecht innehaben, sind nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII von bestimmten Sozialleistungen ausgeschlossen. Für das Sozialgericht Darmstadt ist dies mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar, soweit Unionsbürger gänzlich von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen seien, bei denen das Nichtbestehen der Freizügigkeit zwar festgestellt, diese Feststellung aber noch nicht in Bestandskraft erwachen sei. Im zugrundeliegenden sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren begehrte eine rumänische Familie im Wege des Eilrechtsschutzes die Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Ausländerbehörde hatte den Verlust des Freizügigkeitsrechts gemäß § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern und die daraus folgende Ausreisepflicht festgestellt. Über die hiergegen gerichtete Klage hat das VG noch nicht entschieden. Das BVerfG hat die Vorlage des SG als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

Die Begründung der Vorlage entspreche nicht den Anforderungen des BVerfGG. Die Vorlage übergehe mehrere Fragen zur Verfassungswidrigkeit und zur Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm, die für die verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar seien und ohne deren Klärung das BVerfG in diesem Verfahren nicht entscheiden könne. Das SG lege nicht hinreichend dar, dass das geltende Recht in der hier konkret zu entscheidenden Situation nicht so hätte ausgelegt werden können, dass die Leistung vor Bestandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit nicht ausgeschlossen sei.

Bewertung

Die Vorlage im Wege eines konkreten Normenkontrollverfahrens muss hinsichtlich bestimmter Prüfungspunkte expliziten Anforderungen des BVerfGG genügen, um zulässig zu sein.

Insbesondere muss das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit des zu überprüfenden Gesetzes überzeugt sein. An dieses Zulässigkeitserfordernis werden im Gegensatz zur Antragsbefugnis im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens sehr hohe Anforderungen gestellt. Reine Zweifel an der Verfassungswidrigkeit reichen nicht aus. Das Gericht muss sich somit eindringlich mit der (möglichen) Verfassungswidrigkeit der Norm auseinandersetzen. Zudem muss das zur Prüfung vorgelegte Gesetz auch entscheidungserheblich sein. Das bedeutet, dass das Ausgangsverfahren bei Nichtigkeit der vorgelegten Norm einen anderen Ausgang findet. Auch in diesem Zusammenhang muss sich das vorlegende Gericht intensiv mit der (möglichen) Entscheidungserheblichkeit der Norm auseinandersetzen und dies im Vorlagebeschluss darlegen.

Geschieht Obiges nicht, genügt die Vorlage im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nicht den Anforderungen, die das BVerfGG an eine solche stellt und ist damit als unzulässig abzuweisen.

 

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Sozialrecht

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