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Arbeitsrecht: Dienstaufsichtsbeschwerde und herber Umgangston sind kein Kündigungsgrund

Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 04.02.2020 – 8 Sa 483/19, Pressemitteilung Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 04.02.2020

Hintergrund

Der bei dem beklagten Nahverkehrsunternehmen bis 2019 beschäftigte Straßenbahnfahrer war infolge eines Arbeitsunfalls im Juni 2017 arbeitsunfähig krank geworden und ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt.Im Dezember 2018 verlangte er von dem Nahverkehrsunternehmen noch nicht entrichteten Lohn für 13,5 geleistete Mehrarbeitsstunden aus dem vorangegangenen Jahr 2017.

Auf dieses Verlangen reagierte der alte Arbeitgeber nicht und so griff der ehemalige Personenbeförderer zum Telefon und kontaktierte eine Mitarbeiterin der Personalabteilung. Hierbei forderte er die Auszahlung des Betrages noch am selben Tag, zumindest eine Zwischenzahlung. Die Aussage der Mitarbeiterin, dass hierzu erst die Zustimmung eines Kollegen einzuholen ist, konterte der spätere Kläger mit der Frage, wie denn die Sachlage sei, wenn der zu befragende Kollege versterben würde. Dann müsste jemand anderes die Entscheidung treffen. Folgend verwies er [der spätere Kläger] darauf, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben, um sich Gehör zu verschaffen.

Dies geschah dann auch gegenüber der Beklagten gegen die Mitarbeiterin der Personalabteilung und den Leiter der Personalabteilung. Der spätere Kläger verwies darauf, dass eine Pflicht zur Auszahlung bestehe, die Gelder der Auszahlung aber veruntreut und sich hierdurch die beteiligten Personen strafbar machen würden.

Im April 2019 kam es dann zur Auszahlung des Lohns für die geleisteten Mehrarbeitsstunden.

Unter Einhaltung aller erforderlichen Voraussetzungen kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. April 2019 fristlos und hilfsweise ordentlich zum 30. September 2019. Begründet wurde die Kündigung damit, dass der Anruf mit rauem und aggressivem Tonfall geführt worden und mehrdeutig über den Tod des anderen Mitarbeiters gesprochen worden sei. Zudem seien die Mitarbeiter in der Dienstaufsichtsbeschwerde bewusst wahrheitswidrig der Untreue bezichtigt worden.

Diesem Vorgehen der Beklagtenseite trat der vormalige Personenbeförderer mit der hier besprochenen Kündigungsschutzklage erfolgreich in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht (AG) entgegen. Nun nahm das Verfahren auch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) als Berufungsinstanz ein Ende – allerdings durch gerichtlichen Vergleich.

Gründe

Das AG stellte in seiner Entscheidung klar, dass es sowohl für eine fristlose als auch für eine ordentliche Kündigung an einem dafür erforderlichen Kündigungsgrund fehlte. Nach Auffassung der entscheidenden Düsseldorfer Richter des AG sei durch die Beklagtenseite nicht hinlänglich konkret dargelegt worden, worin genau eigentlich ein rauer und aggressiver Ton vorliege. Darüber hinaus rief das AG zur Kontextualisierung der einzelnen Aussagen des Klägers auf. So sei durch den Hinweis auf den möglichen Tod des Mitarbeiters nur deutlich gemacht worden, dass auch ohne den Kollegen zeitnah eine Entscheidung möglich seien muss. Auch sei das Mittel der Dienstaufsichtsbeschwerde zusätzlich zum gerichtlichen Weg ein legitimes Mittel der Fehlerbetonung. Zudem sei erstere auch nicht mutwillig, da bereits zuvor der Aufruf zur Leistung erfolgt war. Zudem sei auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf strafbaren Verhaltens der „Boden der Sachauseinandersetzung“ nicht vollends verlassen worden, da es immer noch um den aus Perspektive des Klägers unzulässigen Umgang mit der bestehenden Forderung ging.

Im durch die Beklagte angestrengten Berufungsverfahren vor dem LAG machten die Richter bereits deutlich, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben wird, da ein berechtigter Anlass zur Dienstaufsichtsbeschwerde bestanden hat und auch die streitgegenständlichen Aussagen des Klägers vielmehr Ausfluss und Betonung des Anlasses der Beschwerde sind – nämlich das Unterlassen der Lohnauszahlung für anerkannt geleistete 13,5 Arbeitsstunden. Die Aussagen hätten einen vielmehr wertenden Charakter.

In Ansehung eines entsprechend zu erwartenden Urteils auch in der Berufungsinstanz und der bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers haben die Parteien das Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zum 30.09.2019 durch gerichtlichen Vergleich beendet. Dem Kläger wird durch die Beklagte eine Abfindung in Höhe von 30.000 EUR gewährt.

Bewertung

Das AG legitimiert den Umgangston des Klägers respektive und insbesondere das Mittel der Dienstaufsichtsbeschwerde. Dem ist aus rechtlicher Sicht auch stattzugeben. Denn – und das ist entscheidend – jedwede Äußerung muss stets im Kontext betrachtet werden. Freilich gilt es, die Schwelle zur Strafbarkeit nicht zu überschreiten. Dann kann die Sache mit der Kündigung wieder anders aussehen. Aber das kommt wie so häufig drauf an.

Die Rechtsauffassung des AG teilen die Richter des Berufungsgerichts wie zu erwarten war.

Insbesondere zu den kündigungsspezifischen Fragen stehen Ihnen unsere Fachanwälte in Bonn zur Verfügung – sprechen Sie uns an.

Lesen Sie mehr zu den Schwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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