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Arbeitsrecht: Nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts ändert BAG eigene unzulässige Rechtsfortbildung zur sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.08.2019 – 7 AZR 452/17, Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht Nr. 29/19

Hintergrund

Die Klägerin war vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 bei der Beklagten als „Hilfsarbeiterin für Kindergeld“ beschäftigt. Zum 14. Oktober 2014 ging die Beklagte erneut ein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ein. Das zum bis zum 30. Juni 2015 sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis verlängerte die Beklagte bis zum 30. Juni 2016.

Nun begehrte die Klägerin arbeitsgerichtlich Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht zum Ablauf des 30. Juni 2016 geendet hat.

Das erstinstanzlich entscheidende Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr statt. Die Beklagte hat mit ihrem vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) angestrengten Revisionsverfahren Erfolg.

Nach Auffassung der Erfurter Richter ist die sachgrundlose Befristung der Klägerin wirksam.

Gründe

14 Abs. 2 S. 1 und 2 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) bestimmt:

„(2) 1Die Kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. 2Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“

Auf Satz 2 der Regelung und dessen Auslegung kam es in diesem Verfahren an. Legt man den Wortlaut der Norm nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG zugrunde, ist eine Befristung in diesem Fall zulässig, da eine Vorbeschäftigung der Klägerin vor einer Karenzzeit von mehr als drei Jahren bestand. Das BAG hatte nämlich die Norm dahingehend ausgelegt, dass frühere Beschäftigungen für die Bewertung der Zulässigkeit einer Befristung unbeachtlich sind, wenn sie mehr als drei Jahre zurückliegen.

Diese Auslegung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14; NJW 2018, S. 2542 (2543)) für verfassungswidrig erklärt. Die Karlsruher Richter sahen in der Auslegung des BAG eine unzulässige Rechtsfortbildung und damit einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Das BAG habe mit seiner Auslegung den im Wortlaut klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers missachtet.

Diese Bewertung zugrunde gelegt, ist die Befristung unwirksam.

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch anerkannt, dass es Ausnahmen über den Wortlaut der Regelung hinweg gibt. In diesen Fällen soll eine Befristung dann doch wirksam sein. Eine Ausnahme ist anzunehmen, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, anders geartet war oder nur von sehr geringer Dauer gewesen ist.

In Ansinnen dieser Beurteilung nahm das BAG im Fall der Klägerin an, dass die Befristung wegen einer sehr lange zurückliegenden Vorbeschäftigung (hier über 20 Jahre) doch wirksam ist. Damit ist die Revision der Beklagten erfolgreich und das Arbeitsverhältnis endete damit zum Ablauf des 30. Juni 2016.

Bewertung

Die Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch das BAG konnte – so die Bewertung des Verfassers hinsichtlich der Entscheidung – nicht anders beurteilt werden wie geschehen. Legt man allein den Wortlaut der Norm zugrunde, eröffnet sich nicht, warum die Befristung zulässig seien soll, wenn ein Zeitraum von mehr als drei Jahren zwischen dem Zeitpunkt der Befristung und einer etwaigen Vorbeschäftigung liegt. Zustimmen kann man dem BAG allerdings in seiner vormaligen Auslegung unter Wertungsgesichtspunkten – denn – in einem stetig globalisierten Arbeitsmarkt mit immer seltener dauerhaften Anstellungen macht der Markt projektbezogene respektive befristete Arbeitsverhältnisse – auch bei gleichen Arbeitgebern – erforderlich. Aber diese pragmatische Betrachtung entbehrt eben nicht einer juristischen respektive verfassungsrechtlichen Bewertung, die nur den Schluss der Annahme einer unzulässigen Rechtsfortbildung zulässt. Der Gesetzgeber hat seinen Willen, keinerlei Fristen bezüglich der Zeit zwischen Befristung und Vorbeschäftigung gelten zu lassen, klar zum Ausdruck gebracht. Dem ist Folge zu leisten.

Die durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten und oben bezeichneten Ausnahmen sind bei wertender Betrachtung geboten. Denn die Anwendung des Wortlautes findet ihre Grenze hier bei lebensnaher Betrachtung.

Dr. iur. Christoph Roos

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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