Permalink

0

Arbeitsrecht: Betriebsrat hat trotz DSGVO immer noch Anspruch auf Einsichtnahme in die nichtanonymisierten Listen der Bruttolöhne und Bruttogehälter

Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 22.10.2018 – 12 TaBV 23/18

Hintergrund

Im vorliegenden Streitfall begehrt der Betriebsrat eines Gesundheitszentrums die Einsichtnahme in nichtanonymisierte Listen der Bruttolöhne und -gehälter. Dies lehnt die Arbeitgeberin strikt im Interesse ihrer Arbeitnehmer ab. Erstinstanzlich gab das Arbeitsgericht Hannover dem gegen die Ablehnung der Einsichtnahme der Arbeitgeberin gerichteten Antrag des Betriebsrats statt.

Daraufhin erhob die Arbeitgeberin Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Ihre Beschwerde stütze sie auf die Begründung, dass der Betriebsrat seine Aufgaben gemäß § 80 Abs. 1 BetrVG ebenfalls bei einem Einblick in anonymisierte Listen erfüllen könne. Sie weist außerdem auf ihre Pflicht als Arbeitgeberin hin, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ihrer Arbeitnehmer schützen zu müssen. Zudem sei der Betriebsrat datenschutzrechtlich nur dann ein „Nicht-Dritter“, wenn er im Rahmen der ihm gesetzlich übertragen Aufgaben agiert.

Das Landesarbeitsgericht folgte dieser Argumentation nicht, bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu.

Gründe

§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG regelt, dass dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. In diesem Zusammenhang ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss im Sinne des 2. Halbsatzes berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen.

Um einen Einblick in nichtanonymisierte Listen zu erhalten, ist kein besonderes Überwachungsbedürfnis seitens des Betriebsrats darzulegen. Der geforderte Aufgabenbezug ist schon durch seine Rechte und Pflichten aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfüllt. Zudem würde die Überwachungstätigkeit unzumutbar erschwert werden, wenn der Betriebsrat erst auf Verdachtsanzeige die volle Einsicht in die Listen erhalten würde.

Des Weiteren entschied das Landesarbeitsgericht, dass auch datenschutzrechtliche Vorschriften dem Einsichtnahmerecht des Betriebsrats nicht entgegenstünden. Der Betriebsrat fungiere bei Einsicht in die Gehaltslisten im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG als Interessenvertretung der Beschäftigten.

Bewertung

Eine Verletzung des Rechts der Arbeitnehmer auf informationelle Selbstbestimmung, welches sich unter Berücksichtigung richterlicher Rechtsfortbildung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ableiten lässt, ist vorliegend anzulehnen. Ein Recht zur Einsichtnahme in die nichtanonymisierten Gehaltslisten seitens des Betriebsrates folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG. Denn ohne eine solche Einsichtnahme ist der Betriebsrat nicht in der Lage, die ihm gesetzlich auferlegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können (§ 80 Abs. 1 BetrVG). Die Einsichtnahme ist auch mit den Vorgaben der DSGVO vereinbar.

Julia Wulf
Rechtsanwältin

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.