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Arbeitsrecht: LAG folgt BAG und EuGH und erweitert: Arbeitgeber muss auf drohenden Urlaubsverfall – auch nach mehreren Jahren – hinweisen

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 09.04.2019 – 4 Sa 242/18, Pressemitteilung Landesarbeitsgericht Köln 02/2019 vom 01.07.2019

Hintergrund

Der Kläger war im Zeitraum vom 01. September 2012 bis zum 31. März 2017 als Bote bei dem beklagten Apotheker beschäftigt. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag galt bezüglich der Urlaubsansprüche, dass der Kläger diese in Form einer wöchentlichen Arbeitsverkürzung geltend macht. So galt statt der bezahlten 30 Stunden pro Woche eine Arbeitszeit von 27,5 Stunden pro Woche. Der Kläger machte einen darüber hinausgehenden Urlaubsanspruch während des Arbeitsverhältnisses jedoch nicht geltend. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begehrte der Kläger von dem Beklagten einen finanziellen Ausgleich für den in den Jahren 2014 bis 2016 nicht gewährten Jahresurlaub.

Erst in zweiter Instanz hat der Kläger im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Erfolg.

Gründe

Das LAG gelangte nämlich zu der Auffassung, dass die Urlaubsansprüche des Klägers nicht durch einen geringeren Arbeitszeitumfang abgegolten werden können. Eine solche Verkürzung stelle keinen Erholungsurlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes dar.

Der im Verfahren ins Feld geführte § 7 Abs. 3 BUrlG, nachdem der Urlaub verfallen seien könnte, greift nach Auffassung des Gerichts ebenfalls nicht. Denn im Lichte der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 06.11.2018, Az. C-684/16) ist hierfür eine ausdrückliche Aufforderung zur Inanspruchnahme des Jahresurlaubs bei Hinweis auf den sonstigen Verfall zum Jahresende durch den Arbeitgeber erforderlich.

Wie das LAG urteilt, gilt dies auch für den Urlaub aus vorangegangenen Jahren.

Bewertung

Das LAG setzt mit seinem Urteil konsequent die Rechtsprechung aus Luxemburg um. Im oben bezeichneten Verfahren hatten die Luxemburger Richter geurteilt, dass der Arbeitgeber gehalten ist, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Urlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“. Die Richter knüpften bei ihrer Bewertung an Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) an. Dem folgte auch das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 19. Februar 2019 (BAG, Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 541/15) bei richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG.

Davon unabhängig, respektive dem vorgelagert ist die Beurteilung des LAG, dass eine reine Verkürzung der Arbeitszeit keinen Erholungsurlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes ist. Dem ist zuzustimmen. Der Sinn und Zweck des Urlaubs besteht insbesondere in der Schaffung eines länger währenden Freiraums für Erholung des Arbeitnehmers. Diese Zielbestimmung wird durch eine reine Arbeitszeitverkürzung nicht erreicht.

An Arbeitgeber sei aus rechtlicher Sicht erneut der Appell gerichtet, Beschäftigte konsequent und ausdrücklich zur Inanspruchnahme des Jahresurlaubs aufzufordern respektive darauf hinzuweisen und dies auch zur Beweisbarkeit schriftlich zu fixieren. Auch nach mehreren Jahren erlischt der Anspruch der Rechtsprechung des LAG folgend nicht. Darüber hinaus gilt: Eine regelmäßige Stundenreduktion ist kein Jahresurlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes.

Julia Wulf
Rechtsanwältin

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