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Arbeitsrecht: BAG präzisiert Anforderungen an Betriebsvereinbarungen zu Pauschalvergütung von Überstunden

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.06.2019 – 6 AZR 452/18, Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht Nr. 27/19

Hintergrund

Der Kläger ist bei der beklagten Gewerkschaft als Gewerkschaftssekretär beschäftigt. Er hat eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden. Wegen einer sogenannten „Vertrauensarbeitszeitregelung“ zwischen dem Kläger und der Beklagten kann der Kläger grundsätzlich selbst über Beginn und Ende seiner Arbeitszeit entscheiden. Ferner gelten für das Arbeitsverhältnis die „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten“ (AAB). Nach § 10 AAB erhalten Gewerkschaftssekretäre, die „regelmäßig Mehrarbeit“ leisten als Ausgleich für selbige pro Kalenderjahr pauschal neun freie Arbeitstage. Dagegen erhalten andere Beschäftigte für jede geleistete Stunde Mehrarbeit einen Anspruch auf einen Freizeitausgleich von einer Stunde und 18 Minuten, ergo einen Überstundenzuschlag in Höhe von 30 %, respektive auf eine entsprechende Überstundenvergütung.

Im streitgegenständlichen Zeitraum von vier Monaten hat der Kläger nach eigenen Angaben insgesamt 255,77 Überstunden abgeleistet. Hierfür macht er eine Vergütung von Überstunden in Höhe 9.345,84 EUR brutto geltend. Die Beklagte sieht einen Anspruch auf Vergütung wegen der oben bezeichneten AAB nicht. Sie bestreitet zudem die Zahl der vom Kläger geltend gemachten Überstunden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jedoch Erfolg.

Gründe

Das BAG erklärt die AAB für teilunwirksam. Dies gilt für den Teil, der eine Pauschalvergütung von Überstunden für Gewerkschaftssekretäre festlegt. Insbesondere die Formulierung „regelmäßige Mehrarbeit“ verstößt gegen das Gebot der Normklarheit, so das BAG. Für einen Beschäftigten sei nicht hinreichend klar, wann eine solche „regelmäßige Mehrarbeit“ vorliege. Zudem liege ein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, denn das Kriterium der „Regelmäßigkeit“ sei kein taugliches Differenzierungskriterium, um festzulegen, ob eine Vergütung von Überstunden pauschal oder eben wie für die übrigen Beschäftigten pro geleistete Überstunde erfolgen soll.

Hieraus ergibt sich nach Auffassung des BAG ein Anspruch des Klägers auf Vergütung der Überstunden zuzüglich des für die übrigen Beschäftigten geltenden Zuschlags von 30 %. Zur genauen Höhe konnte das BAG keine Entscheidung treffen. Anhand der bisherigen  Feststellungen war dem BAG die genaue Bemessung nicht möglich. Herzu verwies das BAG die Sache zurück an das LAG.

Bewertung

Das BAG schließt mit seiner Entscheidung – das ist für Arbeitgeber entscheidend – eine Pauschalvergütung von Überstunden nicht aus. Jedoch gelten für solche Pauschalvergütungen, die durch Betriebsvereinbarungen festgelegt werden (hier die AAB), bestimmte Voraussetzungen. Zum einen muss klar bestimmt sein, wann eine Mehrarbeit vorliegt, damit kein Verstoß gegen das Gebot der Normklarheit vorliegt. Zum anderen darf der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt werden.

In der Praxis bleibt bei Unwirksamkeit der Abgeltungsregelung mangels anderer Regelung nur ein Anspruch aus § 612 Abs. 1 BGB, wonach jedoch eine objektive Vergütungserwartung erforderlich ist. Jedoch gilt, wie das BAG bereits mehrfach entschieden hat, dass es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist (vgl. dazu BAG, Urteil vom 21.09.2011, Az.: 5 AZR 629/10, MDR 2012, S. 415-416 (415)).

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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