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Medizinrecht: Bundesverwaltungsgericht verneint grundsätzlichen Anspruch auf Zugang zu Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.05.2019 – BVerwG 3 C 6.17; Pressemitteilung Bundesverwaltungsgericht Nr. 42/19

Hintergrund

Die Kläger sind verheiratet (Jahrgang 1937 und Jahrgang 1944). Im Juni 2014 beantragten sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Erlaubnis zum Erwerb von insgesamt 30 g Natrium-Pentobarbital zur gemeinsamen Selbsttötung. Die Kläger wollten das Betäubungsmittel nicht unmittelbar verwenden und waren auch nicht in einem gesundheitlich verschlechterten Zustand. Sie wollten die Mittel auf Vorrat halten, um im Falle abnehmender körperlicher und geistiger Handlungsfähigkeit selbstbestimmt den Zeitpunkt des Ablebens bestimmen zu können. Sie wollten nicht selbst einen eignen Prozess körperlicher und geistiger Degeneration miterleben und vor allem nicht den jeweils anderen allein zurücklassen.

Das BfArM lehnte den Antrag der Kläger mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 mit der Begründung ab, dass der Erwerb von Betäubungsmitteln zum Zwecke der Selbsttötung nicht erlaubnisfähig ist.

Die Kläger wandten sich gerichtlich gegen den ablehnenden Bescheid der zuständigen Behörde. Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision der Kläger zurück.

Gründe

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn die Art und der Zweck des beantragten Verkehrs nicht mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, übereinstimmt. Hieraus folgt nach Auffassung des BVerwG, dass die Erlaubniserteilung eine therapeutische Zielrichtung haben muss, ergo der Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden dienen muss. Damit stehe der Zweck der Selbsttötung grundsätzlich im Widerspruch zum Zweck des Gesetzes. Nach dem Urteil des BVerwG vom 2. März 2017 (Az.: 3 C 19.15) kann von dem Grundsatz des Verbotes der Erlaubnis eine Ausnahme für schwer und unheilbar erkrankte Antragsteller gemacht werden, die sich in einer extremen Notlage befinden. Diese Voraussetzungen sah das BVerwG im Falle der Kläger jedoch als nicht erfüllt an.

Bewertung

Die Versagung des Anspruchs auf Erlaubnis zum Erwerb der oben bezeichneten Betäubungsmittel ist im Lichte der öffentlichkeitswirksamen Entscheidung des BVerwG aus dem Jahre 2017 folgerichtig. Mit dem Urteil bestätigt das BVerwG seine vorangegangene Entscheidung. Wie oben bereits angedeutet, hatte das BVerwG erklärt, dass in Extremfällen die Erlaubnis zum Erwerb von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung geboten seien kann, nämlich wenn die Patienten in einer unerträglichen Lebenssituation schwer und unheilbar krank sind.

Im Nachklang des Urteils von 2017 kam Kritik an der Entscheidung des BVerwG auf. „Denn was eine unerträgliche Leidenssituation ist, bleibt offen“ – wie der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz darlegte.

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn stellte sich dem Urteil von 2017 entgegen und stellte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25.02.2019 klar, dass sich der Bundestag im Jahre 2015 deutlich gegen eine organisierte Sterbehilfe ausgesprochen habe. „Das ist für mich handlungsleitend. Denn die höchste Form der Organisation wäre es, wenn der Staat dabei hilft“.  Er erörterte weiter, dass Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abzuwarten seien und im Übrigen alles „andere hieße, dass Beamte – oder am Ende ich [Jens Spahn] als Minister – darüber entscheiden, wer mit staatlicher Unterstützung sterben darf und wer nicht“.

Eine Kategorisierung eben des Zustands eines Extremfalls ist bis heute nicht möglich und so ist es ebenso wenig verwunderlich, dass im Lichte der Aussagen des Gesundheitsministers von den bis zum Februar 2019 gestellten 123 Anträge bis zum damaligen Zeitpunkt bereits 93 abgelehnt worden sind. Erforderlich wäre insoweit, wie auch die FDP fordert, eine gesetzliche Klarstellung im Lichte der Entscheidung des BVerwG von 2017 vorzunehmen.

Im Ergebnis der aktuellen Entscheidung steht fest: Ein Erwerb von Betäubungsmitteln auf Vorrat zur Vornahme eines zukünftigen Suizids ist nicht möglich.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

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