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Sozialrecht: Heimlich Mitarbeiterinnen gefilmt – Zahnarzt verliert Zulassung

Bundessozialgericht vom 03.04.2019 – B 6 KA 4/18 R

Hintergrund

Der Kläger wendete sich mit seiner Klage gegen die Entziehung seiner Zulassung als Vertragszahnarzt. Der seit 1986 als Zahnarzt tätige Kläger filmte über einen Zeitraum von sechs Jahren mit einer versteckt installierten Kamera seine Mitarbeiterinnen im Umkleideraum und unter der Dusche. Diese Vorwürfe führten strafrechtlich zu einer Verurteilung durch das Amtsgericht Gera wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen gemäß § 201a des Strafgesetzbuches (StGB), gegen welche sowohl der Kläger als auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlegten. Ebenso kam es zu arbeitsgerichtlichen Verfahren, in denen die Mitarbeiterinnen u.a. die Zahlung von Schmerzensgeld verlangten. Diese Verfahren endeten in Vergleichen, in denen die Mitarbeiterinnen ihre Strafanträge zurücknahmen. Das Landgericht (Berufungsinstanz) stellte daraufhin das Strafverfahren nach § 206a Strafprozessordnung (StPO) wegen Eintritts eines Verfahrenshindernisses (Rücknahme der Strafanträge) ein. Das Ergebnis eines amtsärztlichen Gutachtens verneinte das Vorliegen von psychischen oder anderen gesundheitlichen Störungen bei dem Kläger. Daraufhin verzichtete das zuständige Landesverwaltungsamt auf die Anordnung approbationsrechtlicher Maßnahmen.

Auf Antrag der beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger die Zulassung. Der beklagte Berufungsausschuss hat den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung auf das Vorliegen grober Pflichtverletzungen abgestellt.

Klage und Berufung hiergegen blieben erfolglos.

Das Landessozialgericht (LSG) vertrat die Auffassung, dass der Kläger gröblich gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten verstoßen habe und zugleich seine Ungeeignetheit für die Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit, indem er über einen Zeitraum von sechs Jahren wiederholt und in zahlreichen Fällen Videoaufnahmen von seinen Mitarbeiterinnen gefertigt habe. Bezüglich der Frage, ob die Unterlagen aus dem strafrechtlichen Verfahren verwertbar seien, müsse nicht entschieden werden. Der Kläger habe die Vorwürfe in den arbeitsgerichtlichen Verfahren eingestanden.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das LSG habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Er argumentierte, es gebe kein bestandskräftiges Strafurteil gegen ihn. Die Vorinstanzen hätten keine eigenen Feststellungen zu seinem Fehlverhalten getroffen. Die Formulierungen aus einem arbeitsrechtlichen Verfahren oder einem Vergleich seien nicht ausreichend für einen Zulassungsentzug.

Gründe

Dem Argument des Klägers, dass das Urteil des Amtsgerichts infolge der Einstellung des Verfahrens durch das Landgericht wirkungslos geworden sei, folgt der Senat nicht. Vielmehr vertritt der Senat die Auffassung, dass die Einstellung des Verfahrens nicht zur Folge habe, dass die Zulassungsinstanzen und die Gerichte sich nicht auf die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen oder die Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens stützen durften. Diese seien zudem durch zahlreiche Aussagen und Unterlagen aus dem maßgeblichen Zeitraum bestätigt worden. Demnach dürfen Zulassungsgremien auch Erkenntnisse aus einem strafrechtlichen Verfahren verwerten, wenn diese nicht bestandskräftig geworden sind.

Zudem sei aufgrund der massiven Verletzung der Privat- und Intimsphäre der Praxismitarbeiterinnen eine Pflichtverletzung im Sinne des § 95 Abs. 6 S. 1SGB V auszugehen. Insbesondere die Speicherung der Bilder verdeutliche das Ziel des Klägers die Bilder öfters anzusehen und so die Intimsphäre der Mitarbeiterinnen zum Objekt seiner besonderen Interessen gemacht zu haben. Dieser Umgang sei auch geeignet die Betroffenen für lange Zeit zu traumatisieren. Die hohe Strafandrohung und der Strafrahmen des § 201a StGB ließen hinreichend deutlich erkennen, welchen Unrechtsgehalt der Gesetzgeber Verletzungen der Intimsphäre zuweist.

Aufgrund dieses groben Fehlverhaltens des Zahnarztes müssten die Träger der vertragsärztlichen Versorgung mit ihm nicht weiterhin zusammenarbeiten.

Bewertung

Das Urteil stellt zum einen die grundrechtlichen Eingriffe dar und verdeutlicht zum anderen für die Praxis die Konsequenz, dass Ärzten auch ohne strafrechtliche Verurteilung die Zulassungsentziehung droht, wenn ein aufgeklärter Sachverhalt mit hinreichenden Beweisen für ein grobes Fehlverhalten vorliegt.

Bezüglich der Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentziehung kommt es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Eine spätere Verhaltensänderung des Zahnarztes zum Positiven bliebt unberücksichtigt. Dem Kläger bleibt somit lediglich die Möglichkeit einen Antrag auf Wiederzulassung nach fünf Jahren zu stellen.

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