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Sozialrecht: Bundessozialgericht zur Übernahme von Bestattungskosten

Bundessozialgericht, Urteil vom 04.04.2019 – B 8 SO 10/18 R

Hintergrund

Der 1945 geborene Kläger begehrte mit seinem Antrag die Übernahme von Bestattungskosten. Er ist Alleinerbe seiner im Januar 2014 verstorbenen Mutter, die zuletzt in einem Pflegeheim lebte. Der Kläger hatte in der Vergangenheit als Chefarzt in einem Klinikum gearbeitet. Inzwischen ist er Rentner und arbeitet nebenbei als Gutachter für Gerichte und Gutachterkommissionen. Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen führte der Kläger aus, dass er vom Versorgungwerk der Ärzte eine Altersrente von 2.500,00 Euro monatlich bezieht. Die Einnahmen aus der Gutachtertätigkeit liegen danach bei 4.100,00 Euro im Jahr, seine Frau erhält eine monatliche Rente von 350,00 Euro. Die Ersparnisse des Klägers auf dessen Girokonto betragen 2.500,00 Euro. Die Kosten der Bestattung, die er gegenüber dem Sozialamt, der Beklagten, geltend machte betrugen 2.765,22 Euro.

Grundsätzlich hat der Verwandte eines vermögenslosen Verstorbenen, bei ebenfalls bestehender Vermögenslosigkeit die Möglichkeit einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten beim zuständigen Sozialamt nach § 74 SGB XII zu stellen. Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten selbst zu tragen.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers jedoch ab. Begründet führte sie an, dass beim Kläger die notwendige Bedürftigkeit nicht vorliege.

Dagegen legte der Kläger beim Sozialgericht Fulda Klage ein. Sowohl die Klage als auch die Berufung blieben ohne Erfolg.

Das Landessozialgericht (LSG) Hessen hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es sei dem Kläger zumutbar, die nach Einsatz des Nachlasses verbleibenden anzuerkennenden Bestattungskosten in Höhe von 2.765,22 Euro zu tragen. Im maßgeblichen Monat Februar 2014 sei zwar nur ein die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII übersteigendes Einkommen in Höhe von 693,73 Euro (Einkommen abzgl. laufender Kosten) einzusetzen. Angesichts des engen Verwandtschaftsverhältnisses und des deutlich über der Grenze des § 85 SGB XII liegenden Einkommens sowie des Umstandes, dass es sich um einen lediglich einmaligen Bedarf handle, könne es dem Kläger zugemutet werden, die darüber hinausgehenden Bestattungskosten in einem Zeitraum von vier Monaten zu decken.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Gründe

Der Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hob das Urteil des LSG auf und verwies die Sache an dieses Gericht zurück.

Eine Aufteilung fälliger Kosten auf einen Zeitraum von bis zu vier Monaten in direkter oder analoger Anwendung des § 87 Abs. 3 SGB XII scheide aus, wenn das gemeinsame Einkommen des Klägers und seiner nicht getrennt lebenden Ehefrau über der Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII liegt. Eine entsprechende Ausdehnung der Kosten über den Bedarfsmonat hinaus sehe das SGB XII nicht vor.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger tatsächlich einen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten durch die Beklagte habe. Die Feststellungen des LSG ermöglichten keine abschließende Entscheidung. So hat das LSG zu prüfen, ob der Kläger anderweitig die Möglichkeit hatte, die Belastung auf mehrere (auch mehr als vier) Monate zu verteilen, beispielsweise durch Vereinbarung einer Ratenzahlung mit den Gläubigern der Bestattungskosten oder durch die Aufnahme eines Verbraucherkredits, gegebenenfalls verbunden mit einer Stundung bestehender Verbindlichkeiten.

Bewertung

Leistungen nach § 74 SGB XII setzen voraus, dass die Kosten „erforderlich“ sind und es dem Verpflichteten nicht „zugemutet“ werden kann, diese Kosten zu tragen. Diese Tatbestandsmerkmale stellen unbestimmte Rechtsbegriffe dar, die einzelfallabhängig zu bestimmen und zu überprüfen sind.

Im vorliegenden Fall hat das BSG der pauschalen Lösung des LSG, bei Einkommensüberhang diesen über mehrere Monate zur Begleichung der Bestattungskosten heranzuziehen, verworfen. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.

Im Ergebnis sieht zwar § 9 Abs. 1 SGB XII für die Sozialhilfeleistungen die Rücksichtnahme auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls vor, jedoch ist die Praxis schwer greifbar und erschwert eine einheitliche und vorhersehbare Rechtsfindung. Insbesondere wenn, wie im vorliegenden Fall, anderweitige Möglichkeiten zu prüfen sind, die finanzielle Belastung auf mehrere Monate zu verteilen.

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