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Arbeitsrecht/Sozialrecht: Ausbildungsabbruch rechtfertigt Rückforderung von erbrachten Leistungen nach SGB II nicht

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.10.2018 – L 7 AS 1331/17 Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.09.2018 – 21 Sa 390/18, Pressemitteilung Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2018

Hintergrund

Der Kläger nahm eine außerbetriebliche Berufsausbildung auf und fehlte ab diesem Zeitpunkt mehrfach unentschuldigt. In Folge dessen sprach ihm der ausbildende Betrieb eine außerordentliche Kündigung aus.Das beklagte Jobcenter bewilligte dem Kläger sodann ein um 30 % gekürztes Arbeitslosengeld II. Später forderte es die erbrachten Leistungen vollständig zurück. Der Jobcenter verwies in seiner Begründung im Rückforderungsbescheids darauf, dass der Kläger die Hilfsbedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe.

Das Landessozialgericht (LSG) lehnt einen Anspruch auf Erstattung nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II,

„(1) 1Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet.“,

in zweiter Instanz ab.

Gründe

Das LSG stellt klar, dass im Sinne der Norm ein sozialwidriges Verhalten erforderlich ist, dass über die Sanktionsvorschriften der §§ 31 ff. SGB II hinaus an einem strengeren Maßstab zu messen ist. Dies sei im verfassungsrechtlich garantierten Anspruch zur Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums begründet. Wie das LSG ausführt, folgt hieraus, dass Leistungen nach SGB II nicht vergleichbar einem Darlehen zur Überbrückung einer akuten wirtschaftlich prekären Situation gewährt werden können.

Ein unentschuldbares Verhalten des Klägers lehnt das LSG ab. Das LSG erkannte es an, dass der Kläger während seiner Ausbildung zur Überzeugung gelangt ist, dass ihm der gewählte Berufsweg nicht liegt. Verfassungsrechtlich ist die Berufswahl durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Auch wenn von Verfassung wegen keine Legitimation besteht, einer Ausbildungsstätte einfach fern zu bleiben, hat der Jobcenter durch die Kürzung der Bezüge um 30 % dem Verhalten des Klägers hinreichend begegnen können, so das LSG.

Bewertung

Wertungsjuristisch ist es plausibel, die Bezüge des Klägers aufgrund seines Verhaltens zu in der entsprechenden Weise zu kürzen. Im Lichte des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf Wahrung eines menschenwürdigen Existenzminimums können Bezüge nicht gänzlich gestrichen werden respektive können nicht als Darlehen für eine Interimslösung gewährt werden. So entscheidet auch das LSG.

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