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Arbeitsrecht: Erben haben Anspruch auf finanziell vergüteten, nicht in Anspruch genommenen Jahresurlaub eines verstorbenen Arbeitnehmers

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.11.2018, C-569/16 und C-570/16; Pressemitteilung des EuGH Nr. 164 vom 06.11.2018

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist, ob ein Anspruch für die Ehefrau auf den finanziell vergüteten, nicht in Anspruch genommenen Jahresurlaub des verstorbenen Ehemanns besteht.

Die Klägerinnen beider Ausgangsverfahren begehrten vom vormaligen Arbeitgeber ihrer Ehemänner die Auszahlung des finanziell vergüteten Jahresurlaubs, den die Ehemänner vor ihrem Tod nicht in Anspruch genommen hatten.

Die in erster Instanz entscheidenden Arbeitsgerichte gaben den Klagen statt, die Berufung der Ausgangsbeklagten wurde zurückgewiesen. Hiergegen legten die Ausgangsbeklagten Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.

Das BAG strengte ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) an. Im Jahre 2014 hatte der EuGH geurteilt, dass der Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub nicht durch den Tod eines Arbeitnehmers erlischt. Nach nationalem, also deutschem Recht, fällt der Anspruch auf die finanzielle Vergütung nicht in die Erbmasse. Insoweit warf das BAG die Frage auf, wie das Unionsrecht auszulegen ist, ob also nach dem Unionsrecht ein Anspruch auf die finanzielle Vergütung besteht. Das BAG wies zudem daraufhin, dass durch den Tod des Arbeitnehmers der Funktion von Erholung und Entspannung eines Jahresurlaubs nicht mehr Folge geleistet werden kann.

Der EuGH urteilte, dass die Erben einen Anspruch auf die finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub des verstorbenen Arbeitnehmers haben. Zugleich bestätigte der EuGH die 2014 ergangene Rechtsprechung. Für den Fall, dass das nationale Recht den Übergang in die Erbmasse ausschließt, könne sich ein Unionsbürger unmittelbar auf das Unionsrecht berufen.

Gründe

Der EuGH stellte klar, dass die reine finanzielle Vergütung des Jahresurlaubs einen vermögensrechtlichen Charakter hat, und demnach in das Vermögen des Arbeitnehmers respektive das Vermögen der Erben als Rechtsnachfolger übergehen soll. Er pflichtete dem BAG bei, das der Funktion des Jahresurlaubs von Erholung und Entspannung nach dem Tod nicht mehr Rechnung getragen werden kann, stellte aber den soeben ausgeführten zweiten wesentlichen Aspekt des bezahlten Jahresurlaubs klar. Der EuGH rekurrierte in seiner Beurteilung auf die EU-Grundrechte-Charta.

Demnach besteht für die Erben ein Anspruch auf die finanzielle Vergütung für den von dem Arbeitnehmer vor seinem Tod noch nicht genommenen Jahresurlaub.

Bewertung

Das Urteil des EuGH ist interessant. Es stellt klar, welchen Charakter der Jahresurlaub und die dafür vorgesehene Vergütung haben. Er besteht aus zwei Komponenten, zum einen der Komponente von Erholung und Entspannung, zum anderen aus der Komponente mit vermögensrechtlichem Charakter. Das BAG wird demnach in entsprechender Weise zugunsten der Kläger urteilen respektive die erst-und zweitinstanzliche Beurteilung aufrechterhalten.

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