Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 07.03.2017 – 4 U 929/16
Hintergrund
Streitig zwischen den Parteien ist Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Die Klägerin macht eine ungenügende Versorgung ihrer Avulsionsverletzung (Hautablederung bzw. Aushülsverletzung, bei der Haut von muskulären und knöchernen Anteilen des Fingers abgestreift wird) geltend.
Die Klägerin war Teilnehmerin an einem Sportwettkampf des Deutschen Leichtathletik Verbandes. Anlässlich dessen war der Beklagte als Sportarzt zur Betreuung des Sportwettkampfes eingesetzt.
Gründe
Die Klägerin trage für die Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Schmerzensgeldanspruches die Darlegungs- und Beweislast. Den schuldhaften Behandlungsfehler des Beklagten habe diese jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen.
Da es sich bei der Behandlung durch den Beklagten nicht um eine Versorgung durch einen Notarzt, sondern um die Überbrückung bis zum Eintreffen eines solchen handele, seien nicht die Anforderungen, die an einen ausgebildeten Notfallmediziner zu stellen seien, der speziell für den Umgang mit einer besonderen Notfallsituation, wie sie hier vorlag, ausgebildet und geschult werde, für die Beurteilung der Verletzung von Behandlungsstandards zugrunde zu legen. Vielmehr sei auf den Facharztstandard eines Allgemeinmediziners mit Schwerpunkt Sportmedizin abzustellen.
Aus diesem Grund könne in der vom Beklagten unterlassenen Verwendung eines Haushaltsbeutels zur Lagerung und Kühlung des Decollements kein fehlerhaftes Vorgehen gesehen werden.
Den Beweis für eine unsachgemäße Lagerung habe die Klägerin auch im Anschluss an die Aussagen der hierzu vernommenen Zeugen nicht mit einer für die Überzeugungsbildung des Senats ausreichenden Gewissheit geführt. Diese vermochten sich an das mittlerweile acht Jahre zurückliegende Ereignis nicht mehr fundiert erinnern. Auch durch die übrigen von der Berufung angeführten Indizien werde die Darstellung der Klägerin nicht überzeugend belegt. In dem Notarztprotokoll finde sich nur der Hinweis auf die „Bergung des Hautexplantats“ durch den Beklagten, jedoch nicht auf den Zustand des Hautexplantats oder auf die vorgefundene Art der Lagerung und auch nicht auf die Lagerung während der Fahrt ins Krankenhaus.
Der Umstand, dass Kompressen in der Dokumentation des Krankenhauses nicht erwähnt würden, belege für sich genommen nicht, dass das Decollement nicht in Kompressen eingebettet gewesen sei, denn entscheidend für die Frage der Retransplantation sei allein der bei Ankunft in der Klinik offenbar bestehende direkte Kontakt des Decollements mit Eiswasser. Wie es dazu gekommen sei, ließe sich aber nicht mehr eindeutig nachvollziehen. Ohnehin sei die Art der Lagerung während des Transports zum Krankenhaus mangels entsprechender Dokumentation nicht nachvollziehbar.
Bewertung
Das Oberlandesgericht Dresden kommt dadurch, dass es zwischen verschiedenen Beurteilungsmaßstäben hinsichtlich der Verletzung von Behandlungsstandards abhängig vom behandelnden Arzt differenziert, zu einem einzelfallgerechten Ergebnis. Dies ist auch, unabhängig von der unsicheren Beweislage, aufgrund des maßgeblich zugrunde legenden Facharztstandards eines Allgemeinmediziners überzeugend.