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Medizinrecht: Zahnarzt hat keinen Honoraranspruch, wenn nach fehlerhafter Behandlung auch eine Nachbehandlung auf Grundlage der erbrachten Leistungen keine Lösung mehr ist

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.09.2018 – III ZR 294/16, Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 151/2018 vom 13.09.2018

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist, ob ein Honoraranspruch für eine zahnärztlich-implantologische Leistung besteht.

Die Klägerin beanspruchte von der Beklagten aus abgetretenem Recht des Streithelfers eine Honorarzahlung.

Der Streithelfer hatte der Beklagten acht Implantate eingesetzt. Die Beklagte hatte die Behandlung vorzeitig abgebrochen, sodass eine prothetische Versorgung der Implantate ausblieb. Für die erbrachten Teilleistungen machte die Klägerin den oben bezeichneten Anspruch in Höhe von 34.277,10 EUR geltend. Die Beklagte machte geltend, dass alle Implantate unbrauchbar sind, da sie nicht tief genug in den Kieferknochen eingebracht und falsch positioniert worden sind.

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) führte zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und damit zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 16.957,11 EUR. Die durch die Beklagte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) angestrengte Revision führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und zur Zurückweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG.

Gründe

Der BGH lehnt einen Anspruch der Klägerin auf Honorarzahlung gemäß §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 2 in Verbindung mit 398 BGB in der durch das OLG zuerkannten Höhe ab. Die Leistungen des Streithelfers seien für die Beklagte insgesamt nutzlos. Auf Grund dessen besteht gemäß § 628 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB,

Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben“,

kein Honoraranspruch. Durch sein schuldhaft vertragswidriges Verhalten, die fehlerhafte Positionierung der Implantate unter Verletzung des geschuldeten Facharztstandards, habe der Streithelfer selbst die Kündigung veranlasst und damit den Zustand selbst veranlasst, dass die erbrachten Leistungen für die Beklagte nutzlos sind. Die oben bezeichneten Behandlungsfehler, die fehlerhafte Einsetzung der Implantate, führen im Sinne der streitgegenständlichen Norm, § 628 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB, dazu, dass die Beklagte auch kein Interesse mehr an der Leistung hat.

Ein Interesse an einer Leistung besteht nach Bewertung des BGH nicht mehr, wenn die Leistung wirtschaftlich nicht mehr verwertet werden kann. Die objektive Wertlosigkeit ist nicht ausreichend, wenn die Leistung weiter genutzt wird oder sie nicht genutzt wird, gleichwohl aber genutzt werden könnte. Bei zahnärztlichen Behandlungen ist dies anzunehmen, wenn durch einen nachbehandelnden Arzt auf der erbrachten Leistung aufgebaut werden kann und zugleich Arbeit einer Neuherstellung gespart wird. Entscheidend sei jedoch, dass dieses Aufbauen auf der vorherigen fehlerhaften Leistung für den Patienten auch zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist anzunehmen, wenn das Ergebnis nach der Nachbehandlung zumindest im Wesentlichen mit den Regeln der zahnärztlichen Kunst vereinbar ist.

Auf dieser Grundlage bewertet der BGH den Streit zwischen den Parteien.

Aufgrund der Beweisaufnahme kommt der entscheidende Senat zu der Auffassung, dass die durch den Streithelfer eingesetzten Implantate völlig wertlos sind und keine Behandlungsmöglichkeit besteht, die für die Beklagte zumutbar ist, also im wesentlichen den Regeln der zahnärztlichen Kunst entspricht. Auch die Weiterverwendung einzelner Implantate ist wegen des Risikos einer Entzündung des Implantatbettes mit Knochenabbau für die Beklagte keine adäquate Lösung. Zugleich ist auch eine vollkommen neue Behandlung für die Beklagte mit einem erheblichen Risiko verbunden, da mögliche Knochendefekte im Wege der Behandlung nicht ausgeschlossen werden können. Hieraus ergibt sich, dass seitens der Beklagten kein Interesse an der Leistung im Sinne der streitgegenständlichen Norm mehr besteht.

Zur Ermittlung der Positionen der Honorarrechnung die nach Abzug der Vergütung für die Leistung, an der die Beklagte kein Interesse mehr hat, übrig bleiben, verweist der BGH die Sache zurück an die Berufungsinstanz. Im Übrigen ist Feststellung zu einer behaupteten Gebührenvereinbarung vorzunehmen.

Bewertung

Der BGH hat völlig zu Recht einen Vergütungsanspruch seitens der Klägerin aus abgetretenem Recht abgelehnt. Eine Vergütungspflicht der Beklagten für die fehlerhaft erbrachten Leistungen des Streithelfers kann auf Grundlage der durch den BGH aufgestellten Kriterien nicht bestehen.  Die Entscheidung ist interessengerecht.

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