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Arbeitsrecht: Umsetzung wegen Tragens eines Kopftuchs in Berliner Grundschule

Arbeitsgericht  Berlin, Urteil vom 09.05.2018 – 60 Ca 8090/17, Pressemitteilung Arbeitsgericht Berlin Nr. 08/18 vom 09.05.2018

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist, ob die Umsetzung einer Lehrerin wegen des Begehrens, ein Kopftuch tragen zu wollen, zulässig ist.

Ursprünglich war die Klägerin zur Einsetzung als Lehrerin in einer Grundschule durch das Land Berlin vorgesehen.Die Klägerin wollte während des Unterrichts ein Kopftuch tragen. Aus diesem Anlass wurde die Klägerin in ein Oberstufenzentrum umgesetzt. Hier ist das Tragen eines Kopftuches zulässig. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG). Sie trug vor, durch die Umsetzung in ihrer grundsätzlich geschützten Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG verletzt zu sein.

Das Arbeitsgericht beurteilte die Umsetzung für rechtmäßig.

Gründe

Das ArbG bezog sich in seiner Beurteilung auf den Arbeitsvertrag der Klägerin. Hiernach ist die Klägerin zur Unterrichtung in einem Oberstufenzentrum verpflichtet. Eine Benachteiligung liege demnach nicht vor. Das ArbG verwies zudem auf die Einhaltung des Neutralitätsgesetzes des Landes Berlin.

  • 2 Neutralitätsgesetz Berlin

Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions-oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions-und Weltanschauungsunterricht.

Das ArbG führte aus, dass die Verfassungsmäßigkeit des streitgegenständlichen Gesetzes nicht in Frage steht und insoweit keine Verletzung der Religionsfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG durch die auf dem Gesetz beruhende Entscheidung des Landes Berlin vorliegt. Der Gesetzgeber habe „in zulässiger Weise das Verhältnis zwischen der Religionsfreiheit der öffentlich Bediensteten und dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates geregelt“. Die Religionsfreiheit müsse hinter den Interessen des Landes Berlin an einer religionsneutralen Ausgestaltung der Grundschulen zurückstehen.

Bewertung

Das ArbG hat über ein dauerhaft umstrittenes Thema entschieden. Erneut stehen sich die positive und die negative Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG gegenüber. Die Religionsfreiheit wird schrankenlos gewährt und kann nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes im Rahmen eines einfachen Gesetzesvorbehalts eingeschränkt werden. Sie gerät aber dann an ihre Grenzen, wenn ihr ein anderes Gut von Verfassungsrang entgegentritt – hier die negative Religionsfreiheit, nämlich das Recht eben auch keinen Glauben oder keine Weltanschauung zu haben und dies zu bekennen – forum internum und forum externum. Insoweit sind Verfassungsgüter, kollidierende Verfassungsgüter, in Einklang zu bringen, im Rahmen praktischer Konkordanz. Dies bedeutet nicht die Abwägung zweier Grundrechte unter Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dies ist nicht möglich.

Das Land Berlin hat der verfassungsimmanenten Schranke, der Religionsfreiheit selbst, in Form des Neutralitätsgesetzes einen einfachgesetzlichen Ausfluss verliehen.

Zuletzt hatte sich das Bundesverfassungsgericht in einem Eilantrag mit Beschluss vom 27.07.2017 (2 BvR 1333/17) zugunsten der negativen Religionsfreiheit entschieden. Es fließen Umstände des Einzelfalls bei der Betrachtung in concreto in die Beurteilung im Rahmen der praktischen Konkordanz ein.

Es ist auch hier damit zu rechnen, dass die nächste Instanz diese verfassungsrechtliche Frage aufgreifen wird. Der Klägerin ist das Unterrichten als Lehrerin jedoch nicht untersagt. Ihr steht dieser Beruf weiterhin frei, nur in Bezug auf das Unterrichten an einer Grundschule bei Zeigen ihres wohl religiösen Bekenntnisses nicht.

Es ist abzuwarten, wie die nächste Instanz und am Ende gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht zu dieser Sache Stellung beziehen wird.

 

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