Permalink

0

Arbeitsrecht: Arbeitsgeber muss den Anscheinsbeweis für Zusammenhang zwischen Kündigung und Arbeitsunfähigkeit widerlegen

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.03.2018 – 10 Sa 1507/17

Hintergrund

Der Beklagte betreibt einen Fuhrbetrieb mit einer eigenen Werkstatt zur Reparatur der betriebseigenen LKW. Er und der Arbeitnehmer A vereinbarten am 27.05.2016 einen Arbeitsvertrag über ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Schlosser mit einem Tätigkeitsbeginn ab dem 01.07.2016 sowie eine dreimonatige Probezeit.Weiterhin wurde vereinbart, dass mündliche Nebenabreden keine Gültigkeit haben. Ob die Parteien dennoch eine mündliche Nebenabrede bezüglich der Absolvierung eines Lehrgangs zur Grundqualifikation als Berufskraftfahrer getroffen hatten, ist streitig.

Der Arbeitsnehmer A trat seinen Dienst am 01.07.2016 an, ohne einen solchen Lehrgang besucht zu haben. Unstreitig benötigte er einen solchen Lehrgang nicht für die Ausübung seiner Schlossertätigkeit. Ab dem 18.07.2016 erkrankte der Arbeitsnehmer A arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit wurde erst bis zum 25.07.2016 bescheinigt. Am 26.07.2016 wurde eine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 12.08.2016 festgestellt. Nach dem von Beklagten bestrittenen Vortrag der klägerischen Krankenkasse informierte der Arbeitnehmer den Beklagten darüber am gleichen Tag. Der Beklagte kündigte am 26.07.2016 das Arbeitsverhältnis zum 10.08.2016.

Die klagende Krankenkasse machte gegenüber dem Beklagten aus übergegangenem Recht gemäß § 115 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 und Abs. 3 EFZG einen Anspruch auf Erstattung des an den Arbeitnehmer A gezahlten Krankengeldes geltend, da sie davon ausgeht, dass die Kündigung aufgrund der fortgesetzten Arbeitsunfähigkeit erfolgt sei. Der Beklagte erwiderte, dass die Kündigung aufgrund einer Schlechtleistung des Arbeitsnehmers A am 14.07.2016 sowie dem unterlassenen Erwerb der Qualifikation als Berufskraftfahrer erfolgt sei.

Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Gründe

Grundsätzlich endet die Pflicht zur Entgeltfortzahlung für den Arbeitgeber mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Das gilt nach § 8 Abs. 1 S. 1 EFZG nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Dazu genügt es, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat. Die Arbeitsunfähigkeit muss nicht alleiniger Grund für die Kündigung sein. Sie muss nur den Kündigungsentschluss wesentlich beeinflusst haben.

Darlegungs- und beweispflichtig für eine solche Anlasskündigung ist der Arbeitnehmer bzw. wie hier bei Forderungsübergang die Krankenkasse. Indessen kommt ihr aber regelmäßig der Anscheinsbeweis zugute, wenn die Kündigung in zeitlich engem Zusammenhang mit der angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist. Selbst wenn der Beklagte bei der Kündigung noch nicht gewusst haben soll, dass die Arbeitsunfähigkeit über den 25.07.2016 hinaus fortdauert, geht dies zu seinen Lasten, denn der Arbeitgeber hat nach dem Ende der zunächst bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit drei Tage abzuwarten, ob der Arbeitnehmer die Fortdauer anzeigt. Macht er dies nicht, kann er sich nicht darauf berufen, von der Fortdauer nichts gewusst zu haben. Daher spricht im Streitfall der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit zumindest mitursächlich für die Kündigung vom 26.07.2016 war.

Wir der Vortrag der Klägerin – wie hier – durch einen Anscheinsbeweis untermauert, muss der Beklagte zwar nicht das Gegenteil beweisen, aber er muss den Anscheinsbeweis entkräften. Gegen die Kündigung aufgrund der Schlechtleistung des Arbeitnehmers A vom 14.07.2016 spricht der zeitliche Abstand, da die Kündigung erst am 26.07.2016 erfolgt ist. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, für eine derartige Bedenkzeit des Arbeitgebers. Gerade auch weil der Beklagte seit fast drei Jahren die Stelle besetzen wollte, erschließt sich auch nicht, weshalb ein einmaliger Fehler ohne größere Folgen einen Kündigungsentschluss am 26.07.2016 gebracht haben soll. Das gleiche gilt für den fehlenden Erwerb der nicht zwingend notwenigen Qualifikation als Berufskraftfahrer.

Bewertung

Im Hinblick auf Kündigungen, die in zeitliche engem Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ausgesprochen werden, ist der Beweis des ersten Anscheins von außerordentlicher Relevanz. Dieser erlaubt – gestützt auf Erfahrungsätze – Rückschlüsse von bewiesenen auf zu beweisende Tatsachen zu ziehen. Der Arbeitgeber hat diesen im Fall einer Kündigung nachvollziehbar zu widerlegen. Vorliegend war dies dem Arbeitgeber nicht in ausreichendem Maße gelungen.

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.