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Arbeitsrecht: Arbeitslosengeldbezug bei Rente ab 63 ausnahmsweise bei vollständiger Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers auf die Wartezeit anrechenbar

Bundessozialgericht Urteil vom 28.6.2018, B 5 R 25/17 R

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist die Gewährung von Rentenbezügen.

Der im Februar 1951 geborene Kläger arbeitete zuletzt bei einem Unternehmen, das mehrere hundert Standorte in Deutschland betreibt. Aufgrund betriebsorganisatorischer Veränderungen wurde der Standort, an dem der Kläger tätig war, geschlossen und dem Kläger daraufhin aus dringenden betrieblichen Gründen zum 31.12.2012 gekündigt. Der Kläger bezog sodann von Januar 2013 bis Juni 2014 Arbeitslosengeld.

Die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 01.07.2014 lehnte die beklagte Rentenversicherung mit der Begründung ab, dass der Kläger die 45-jährige Wartezeit nicht erfüllt habe. Bis Ende 2012 habe der Kläger nur 536 auf die Wartezeit anrechenbare Monate zurückgelegt. Dadurch, dass keine vollständige Geschäftsaufgabe seitens des Arbeitgebers vorlag, seien die Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn nicht berücksichtigungsfähig.

Die dagegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe

Voraussetzung für die sogenannte Rente ab 63 sei die Erfüllung der 45-jährigen Wartezeit. In diese Wartezeit miteinzubeziehen seien grundsätzlich auch Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges. Diese Zeiten seien jedoch dann nicht anzurechnen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn erfolgen. Diese Ausnahme gelte jedoch nicht, wenn der Leistungsbezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei.

Dadurch, dass der Begriff der ‚vollständigen Geschäftsaufgabe‘ im Gesetz nicht näher umschrieben und auch nicht durch den Sprachgebrauch eindeutig bestimmt sei, sei der Begriff insbesondere nach Sinn und Zweck der Norm im Sinne des Wegfalls des gesamten Unternehmens des konkreten rechtlichen Arbeitgebers zu verstehen, um eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein auszuschließen. Dafür sprächen auch systematische Bezüge zum rechtlich gleichgeordneten Rückausnahmetatbestand der Insolvenz (vgl. BSG 17.8.2017, B 5 R 8/16 R). Die genannten Regelungen (§ 51 Absatz 3a Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a Teilsätze 2 und 3 SGB VI) begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bewertung

Das Urteil mag auf den Einzelfall bezogen das Urteil ungerecht erscheinen, da der Kläger, wenn ihm betriebsbedingt nicht gekündigt worden wäre, seine Wartezeit hätte erfüllen können. Sinn und Zweck der Rente ab 63 ist es jedoch, diejenigen zu honorieren, die langjährig gearbeitet haben und nicht etwa schon frühzeitig in Form von Arbeitslosengeld auf Kosten des Staates gelebt haben. Das Urteil des Bundessozialgerichts dient dem Schutz des Sozialstaates. Indem das Bundessozialgericht den Begriff der ‚vollständigen Geschäftsaufgabe‘   systematisch auslegt, vermeidet es das Ausnutzen der sozialstaatlichen Instrumente wie Arbeitslosengeld. Für die Funktionstüchtigkeit des Sozialstaats ist das Einzelschicksal des Klägers hinzunehmen.

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