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Arzthaftungsrecht: Haftung des Krankenhausträgers für alkoholkranken Belegarzt

Landgericht Münster, Urteil vom 1.3.2018 – 111 O 25/14

Hintergrund

Das Landgericht Münster hatte in dem vorliegenden Fall über die Ansprüche auf Schmerzensgeld sowie Schadensersatz einer Patientin gegen den beklagten Krankenhausträger zu entscheiden. Die Klägerin, die seit 2003 an diversen Beschwerden litt, stellte sich im Januar 2011 in einem Krankenhaus der Beklagten vor. Der behandelnde Belegarzt diagnostizierte einen Bandscheibenvorfall C5/6 und C6/7 mit rechtsbetonten beiderseitigen Zerviko-Brachialgien. Aufgrund von dieser Diagnose wurde von demselben Belegarzt am 4.2.2011 eine Operation der Bandscheibe in den betroffenen Segmenten durchgeführt. Diese wurde jedoch fehlerhaft durchgeführt und es kam unstreitig zu einer Verletzung des Rückenmarks. Nach der Operation und Abklingen der Narkose konnte die Klägerin sich aufgrund der Verletzung nicht mehr bewegen, sie ist nun teilweise querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Der operierende Belegarzt war schon seit dem Jahr 2008 mehrmals durch seinen Alkoholkonsum aufgefallen. Es kam auch zu Auffälligkeiten während der Arbeitszeit, beispielsweise Alkoholgeruch und Gangunsicherheiten. Nach einer mehrwöchigen Entzugsbehandlung  stimmte die Klinikleitung jedoch der Fortsetzung der belegärztlichen Tätigkeit zu. Bei später durchgeführten Blutproben zeigte sich weiterhin eine positive Blutalkoholkonzentration und es kam zu weiteren, alkoholbedingten Vorfällen. Die ärztliche Tätigkeit in der Klinik wurde dennoch fortgeführt. Nun klagte die Patientin auf ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 Euro und die Feststellung, dass ihr alle materiellen und immateriellen Schäden aus der fehlerhaften Behandlung der Vergangenheit und Zukunft zu ersetzen sind.

Gründe

Das Landgericht hat die Klinik zu der Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Patientin in Höhe von 250.000 Euro verurteilt. Ihr falle ein grobes Organisationsverschulden zur Last. Dabei ist ihr das Verschulden des Geschäftsführers der Klinik nach § 31 BGB analog zuzurechnen. Ein alkoholkranker, operativ tätiger Neurochirurg stelle eine eklatante Gefahr für die Patienten dar, sodass die Wiedereinstellung des Belegarztes im Jahr 2008 bereits nicht hätte erfolgen dürfen. Man hätte erkennen müssen, dass aufgrund des Zustands des Arztes dessen Eignung in Frage gestellt werden musste. Es handelte sich nicht nur um bloßes Augenblickversagen und die Klinik hatte Kenntnis davon, dass der Belegarzt unter Alkoholeinfluss im Operationssaal tätig war. Die Beklagte habe demnach den ihr positiv bekannten Umständen eindeutig zu wenig Beachtung gegeben und damit das Patientenwohl gefährdet. Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin somit gemäß §§ 611, 280, 241 Abs. 2, 823, 31, 249, 253 BGB zu. Das Gericht hat jedoch über den Antrag der Klägerin hinaus ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 Euro für ausreichend und angemessen angesehen, da die Klägerin für den Rest ihres Lebens an den Folgen der Verletzung leiden wird.

Bewertung

Das Landgericht Münster hatte einen tragischen und außergewöhnlichen Fall zu entscheiden. Die Weiterbeschäftigung eines alkoholkranken Arztes stellt einen derart groben Fehler dar, dass es dazu nur in äußerst seltenen Fällen kommen wird. Die Haftung der Klinik wurde richtigerweise bejaht. Das Urteil appelliert an die Klinikleitungen, solche erschreckenden Fälle zu verhindern und wirkt sich demnach positiv auf die Patientensicherheit aus.

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