BGH, Urteil vom 4. März 2015 – IV ZR 128/14
Hintergrund
Der Kläger nahm die Beklagte aus einer Kraftfahrt- Vollkaskoversicherung für den Betrag von 2,644,29 EUR nebst Zinsen zur Begleichung eines Unfallschadens in Anspruch. Er forderte zudem Feststellung, dass alle weiteren Folgeschäden zu ersetzen sind.
Bei der Rückwärtsfahrt mit seinem versicherten PKW sei ein angehängter Anhänger stehengeblieben und unvermittelt nach rechts gedreht. Die Richtungsänderung führte zur Kollision mit dem schiebenden PKW. Der hintere rechte Kotflügel wurde eingedrückt.
Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung werden insbesondere Schäden „zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen“ ausgeschlossen. Nach den AKB sind „Unfälle des PKW versichert“.
Der Kläger führte aus, dass der Fahrbahnuntergrund Auslöser für das Schadensereignis war. Hierin liege eine Einwirkung von außen.
Die Beklagte hält den Verkehrsunfall für nicht versichert, weil er sich zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ereignet habe.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die zugelassene Revision vor dem Bundesgerichtshof hatte keinen Erfolg.
Gründe
Das Berufungsgericht verneinte einen Verstoß der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen das Tranzparenzgebot des § 307 I 2 BGB. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann verstehen, dass die Bezeichnung „zwischen ziehendem und gezogenen Fahrzeug“ auch im Speziellen die Bezeichnung „ziehendes Kraftfahrzeug und gezogenen Anhänger“ meint. Die allgemeinere Bedeutung des Begriffes „Fahrzeug“ sei eindeutig, so das Landgericht.
Die Auffassung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof stand.
Der Bundesgerichtshof bestätigt die Auslegung nach der Maßgabe eines durchschnittlichen Betrachters. Diese Auslegung ist interessengerecht, so der BGH.
Der Begriff „Fahrzeug“ ist als Oberbegriff so verstehen, wie der BGH bekräftigt. Maßgeblich sei nicht nur die aktive Fahreigenschaft. Es komme also allgemein auf die Fähigkeit zur Fortbewegung an. Die eigene Antriebsfähigkeit ist nicht ausschlaggebend. Der BGH verwies auf seine Auslegung des „Wohnanhängers“ als Fahrzeug und stellt heraus, dass auch nach dem Verständnis des § 2 Nr. 3 Fahrzeug- Zulassungsverordnung Fahrzeuge sowohl Kraftfahrzeuge als auch ihre Anhänger sind.
Der Bundesgerichtshof erklärt, dass allgemeine Versicherungsbedingungen stets so präzise wie möglich die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen herausstellen müssen, wie es den Umständen nach gefordert werden kann. Der Umfang des Versicherungsschutzes muss für den Versicherungsnehmer erkennbar sein.
Im streitigen Sachverhalt betont der BGH eine rechtsfehlerfreie und verfahrensfehlerfreie Vorgehensweise des Landgerichts.
Eine fehlende Einwirkung von außen bejaht der Bundesgerichtshof.
Bewertung
Das Urteil des Bundesgerichtshof stellt richtiger Weise die Erforderlichkeit einer interessengerechten und für den Versicherungsnehmer verständlichen Vertragsgestaltung heraus. Es erweitert den Fokus von der Betrachtung des Einzelnen auf die allgemeine Sichtweise des objektiven Betrachters und genügt damit den Voraussetzungen eines funktionierenden Versicherungswesens.