Finanzgericht Köln, Urteil vom 23.05.2017 – 1 K 1637/14; Urteil vom 23.05.2017 – 1 K 1638/14
Hintergrund
Streitig zwischen den Parteien ist in beiden Verfahren, das des Ehemanns und das der Ehefrau, ob ein Antrag auf Veranlagung der Einkommensteuer fristwahrend durch Einwurf bei einem örtlich unzuständigen Finanzamt (FA) gestellt worden ist.
Die Ehefrau des Klägers, im anderen Verfahren Klägerin, warf ihre Einkommensteuererklärung und die ihres Ehemannes für den Veranlagungszeitraum 2009 am 31.12.2013 um 20:00 Uhr beim FA in den Nachtbriefkasten.
Mit Verweis auf die abgelaufene Festsetzungsfrist nach § 169 II AO wurde die Veranlagung für die Klägerin und den Kläger mit Bescheid vom 18.02.2014 abgelehnt. Ein Einspruchsverfahren blieb in beiden Verfahren erfolglos. Das beklagte FA führte mit Bescheid vom 13.05.2014 aus, dass die Festsetzungsfrist am 31.12.2013 abgelaufen ist, Umstände für eine Hemmung der Festsetzungsfrist nicht vorliegen und eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand aufgrund der durch den BFH entschiedenen Unanwendbarkeit des § 110 AO bei Ablauf der Festsetzungsfrist nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu: BFH, Urteil vom 21.01.2008, VII R 3/07, BStBl. II 2008, S. 838).
Mit Klage vor dem Finanzgericht (FG) vom 13.06.2014 wandten sich Klägerin und Kläger gegen diese Entscheidungen.
Das FG gab der Klage statt. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 18.02.2014 und der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2014 verpflichtete es den Beklagten, die Veranlagung zur Einkommensteuer 2009 durchzuführen.
Gründe
Das FG entschied, dass die Antragstellung des Klägers und die Antragstellung der Klägerin innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgten und zu einer Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nach § 171 III AO führte.
Gesetzlich sei nicht festgeschrieben, dass ein Antrag bei zuständigen FA zugehen muss. Einem steuerlich unberatenen Bürger könne unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung u.a. durch ihren Internetauftritt und ihre verwendete Briefpost nach außen hin einheitlich auftritt, nicht zugemutet werden, sich die Unzuständigkeit durch die Finanzverwaltung vorhalten lassen zu müssen. Der Einwurf der Erklärung außerhalb der regulären Öffnungszeiten sei unschädlich. Es sei von einem generellen Empfangs-und Zugangswillen der Finanzverwaltung auszugehen.
Das FG ließ die Revision zum Bundesfinanzhof zu. Das beklagte FA hat diese bereits eingelegt.
Bewertung
Es ist abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof die Entscheidung des FG aufgreifen wird. Im Hinblick auf den Zugang hat das FG klar nach den zivilrechtlichen Maßstäben entschieden. Die Entscheidung ist interessant und deutet ein bestehendes Praxisproblem an.