Landessozialgericht Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 13.03.2017 – L 4 KR 65/17 B ER

Hintergrund

Der Antragssteller ist Jahrgang 1998 und gesetzlich bei der Antragsgegnerin, Krankenkasse, gesetzlich krankenversichert. Der Antragssteller ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, H, RF und aG. Nach alter Rechtslage erhält der Antragssteller Leistungen der Pflegestufe 3. Seitens des Landkreises wurde dem Antragssteller Eingliederungshilfe im Sinne einer Schulbegleitung durch eine Integrationshelferin ermöglicht.

Die Integrationshelferin begleitete den Antragssteller bis zum 31. Juli 2016 auf dem 1000 Meter langen Schulweg vor und nach der Schule. Seit dem 1. August 2016 wurde der Antragssteller stationär in einer 30 km entfernten Einrichtung betreut. Die Kosten für den Aufenthalt in der Einrichtung wurden sodann auch durch den Landkreis als Träger der örtlichen Sozialhilfe übernommen. Der Landkreis übernahm auch den Schultransport, jedoch erfolgte dieser ab dem 1. August ohne die Begleitung einer Integrationshelferin bzw. durch einen Integrationshelfer.

Am 27.05.2016 beantragte die Mutter, zugleich prozessbevollmächtigte Rechtsanwältin des Antragsstellers,  beim Landkreis die Bewilligung einer Fortsetzung der Schulbegleitung auch für den längeren Anfahrtsweg durch eine Integrationshelferin bzw. einen Integrationshelfer. Sie begründete ihren Antrag damit, dass aufgrund möglicher Grand-mal-Anfälle des Antragsstellers eine qualifizierte Begleitung erforderlich ist.

Dieser Antrag wurde durch den Landkreis an die gesetzliche Krankenkasse, Antragsgegnerin, zur Beurteilung und Entscheidung weitergeleitet. Aufgrund der medizinischen Erforderlichkeit sei diese zuständig.

Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab. Sie sah sich nicht als zuständig an.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die Prozessbevollmächtigte am 1. September 2016 mit Klage an das Sozialgericht und stellte zugleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.

Mit Beschluss vom 11. Januar 2017 verpflichtete das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zur Tragung der durch eine Integrationshelferin bzw. einen Integrationshelfer durchgeführten Schulbegleitung entstehenden Kosten.

Das Sozialgericht führte aus, dass es nicht Gegenstand der Prüfung im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz sei, über die Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Krankenkasse und Sozialhilfeträger zu entscheiden.

Die Antragsgegnerin reichte gegen diesen Beschluss am 8. Februar Beschwerde ein. Hiermit begehrte sie die Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts und die Ablehnung des Antrags des Antragsstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) befand die Beschwerde der Antragsgegnerin für zulässig und unbegründet. Es wies die Beschwerde mit Beschluss vom 13.03.2017 zurück.

Gründe

Das LSG schloss sich der Auffassung des Sozialgerichts an. Es stellte klar, dass es im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht auf die Entscheidung über Zuständigkeiten ankommt. Der entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin einschlägige § 14 SGB IX habe gerade den Schutzcharakter- bzw. Zweck, dem hilfesuchenden und leistungsbeanspruchenden Versicherten uneingeschränkte Hilfe zu gewähren. Der Anwendungsbereich der Norm sei dann eröffnet, wenn eine materielle Rechtspflicht zur Leistung irgendeines Trägers gegeben sei.

Diese liege hier nach summarischer Prüfung vor.

Bewertung

Der Entscheidung des LSG ist uneingeschränkt zuzustimmen. Das Gericht hat den Gegenstand des Verfahrens um den einstweiligen Rechtsschutz richtig betont und herausgearbeitet. Der streitgegenständliche § 14 SGB IX ist einschlägig. Im Übrigen hat das Gericht in diesem Verfahren aus der Perspektive des Antragsstellers richtig gehandelt. Den Prinzipien des Sozialrechts folgend, darf ein Streit über Zuständigkeiten nicht auf dem Rücken der zu Recht Leistungsbeanspruchenden ausgetragen werden. Die Entscheidung in der Hauptsache bleibt abzuwarten, auch wenn das LSG dessen Ausgang bereits deutlich gemacht hat. Zuständig wird der Landkreis sein.