Bundessozialgericht: Urteil vom 18.11.2015, B 12 R 7/14 R

Hintergrund  

Streitig zwischen den Parteien ist die Rechtmäßigkeit der nach einer Betriebsprüfung geltend gemachten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund forderte nach Abschluss ihrer Betriebsprüfungen im Zeitraum vom 01.12.2005-31.12.2009 vom Kläger Beiträge und Säumniszuschläge iHv 3647,41€ wegen gewährter Fahrtkostenzuschüsse an Mitarbeiter des Klägers nach. Im Hinblick auf die Fahrtkostenzuschüsse lag bereits eine bestandskräftige Steuernachforderung des Finanzamts aus dem Jahr 2008 vor. Die Beklagte macht geltend, dass für die Beitragsnachforderung die 30-jährige Verjährungsfrist gelte, weil der Kläger die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe.

Gründe

Die Vorinstanzen revisionsrechtlich beanstandungsfrei entschieden, dass die Beklagte gem. § 28 p Abs. 1 S. 5 SGB IV grundsätzlich berechtigt war, die Beiträge in der noch streitigen Höhe nachzufordern.

Die für die Zeit bis zum 31.12.2005 geltend gemachten Beitragsansprüche wären unter Anwendung der regelmäßigen vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S 1 SGB IV bereits am 01.01.2010 und somit vor Erlass der angefochtenen Bescheide verjährt gewesen.

Sofern jedoch der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig werde, verlängere sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung die regelmäßige Verjährungsfrist von vier Jahren in eine dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 S 2 SGB IV. Bösgläubigkeit sei bereits anzunehmen, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalte, er also seine Beitragspflicht für möglich haltend, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nehme.

Der Rechtsprechung des Senats zufolge sei bedingter Vorsatz bei der Nichtzahlung von „Nebenleistungen“ zum Arbeitsentgelt, wie etwa die Fahrtkostenzuschüsse, anzunehmen, sofern zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder zumindest ohne Weiteres erkennbare Übereinstimmung bestehe. Von einer solchen könne bei Steuer- und Beitragspflicht von Lohn iS von § 19 EStG und Arbeitsentgelt iS von §§ 14, 17 SGB IV ausgegangen werden. Geläufig sei auch, dass Lohnsteuerhaftungsbescheide der Regel nach sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen haben.
Um den für die Verjährungsfrist verschiebende Beitragsvorenthaltung erforderlichen Vorsatz bejahen zu können, müsse zusätzlich der dafür erforderliche innere (subjektive) Tatbestand festgestellt werden, zu dessen Ermittlung die konkreten Umstände des Einzelfalls des Beitragsschuldners einbezogen werden sollen. Da nicht aus dem Umstand, dass der Kläger Steuernachforderungen in Bezug auf die Fahrtkostenzuschüsse nicht nachgekommen ist, pauschal auf einen solchen Vorsatz schließen könne, weist das Bundessozialgericht in diesem Punkt die Sache zu dessen tatrichterlicher Feststellung zurück an das Landessozialgericht.

Bewertung

Dem Urteil des Bundessozialgerichts ist zuzustimmen. Zu Recht weist es im letztendlich entscheidenden Punkt das Landessozialgericht dazu an, die entsprechenden Tatrichterlichen Ermittlungen nachzuholen. Das Urteil stärkt damit die Einzelfallgerechtigkeit und verhindert Pauschalisierung mit pönalisierender Wirkung.