Sozialgericht Detmold, Urteil vom 19.03.2015, S 1 U 99/14

Hintergrund

Die Klägerin ist als kaufmännische Angestellte bei der Firma F N-M Stiftung & Co. KG in N beschäftigt. Bei dem Firmenlauf B2Run war die Klägerin nach dem Lauf auf dem Weg zum Bus über eine Bordsteinkante gestolpert und gestürzt. Dabei zog sie sich Verletzungen im Gesicht und Knie sowie Prellungen und eine Wundinfektion zu.

Streitig zwischen den Parteien ist, ob die Klägerin am 28.08.2013 einen Arbeitsunfall erlitt.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 10.01.2014 die Anerkennung des Unfalls der Klägerin als Arbeitsunfall ab. Begründet wurde dies damit, dass es sich bei dem Lauf nicht um eine versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung handele. Als Indizien wurden die Mindestbeteiligungsquote von 20%, wonach die Veranstaltung grundsätzlich nicht allen Betriebsangehörigen offen stünde, sowie die Wegstrecke von 6 Kilometern, die ebenfalls eine Beschränkung darstelle, da nicht erwartet werden könne, dass alle Betriebsangehörigen eine solche bewältigen könnten, aufgeführt. Zudem sei der Firmenlauf als rein sportliche Veranstaltung nicht geeignet, zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens beizutragen, weil eine solche Veranstaltung von ihrer Programmgestaltung her nicht die Gesamtheit der Belegschaft, sondern nur die Sportinteressierten und sportlich aktiven Beschäftigten einbeziehe. Die Aufforderung zur Teilnahme und die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber sei zur Begründung einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht ausreichend. Ein Arbeitsunfall liegt der Beklagten zufolge nicht vor.
Daraufhin legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten ein. Als Begründung stellte die Klägerin auf das Teilnahmeangebot zum Firmenlauf unter dem Jahresmotto der Firma „Mit Liebe und Leidenschaft“ ab. Damit seien alle Mitarbeiter angesprochen worden, die sich sportlich betätigen wollte. Es gäbe keinen Ausschluss etwaiger Gruppen. Den Bustransfer zum Lauf hin- und wieder zurück hat der Arbeitgeber übernommen. Tatsächlich am Lauf teilgenommen haben 1.200 der 3000) Mitarbeiter der Firma F-N-M Stiftung & Co.KG..

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2014 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2014 zu verurteilen, den Unfall der Klägerin vom 28.08.2013 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen. Die Klage ist zulässig und begründet.

Gründe

Die Versagung der Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfalls durch die Beklagte erfolgte zu Unrecht. Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls gem. §§ 2, 3, 6 SGB VII ist, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz stehen auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen. Der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zufolge kann die Teilnahme an Betriebsfesten oder –Ausflügen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Diese Einstufung ist nur gerechtfertigt, wenn diese Veranstaltungen auch im Interesse des Unternehmens liegen, dabei bspw. der Gemeinschaftsgedanke gefördert wird. Dies habe das Unternehmen allemal durch die Möglichkeit der Teilnahme von nicht laufenden Mitarbeitern durch sog. Fantickets erreicht. Des Weiteren wurde auf den Flyern ausdrücklich auf die Teilnahme aller Hierarchiestufen und den Zweck des Laufes zur Teambildung und der Unternehmensidentifikation hingewiesen. Die Auffassung der Beklagten, dass die Strecke von 6 Kilometern nicht allen Beschäftigten körperlich möglich sei, hält die Kammer für zu eng, da auch nicht laufende Kollegen am Lauf teilnehmen konnten und es nicht auf die Laufzeit ankäme. Zudem existiere keine feste Mindestbeteiligungsquote von 20%, die die Beklagte aufführte. Beim Lauf haben 16% der Mitarbeiter teilgenommen. Nach Auffassung der Kammer könne nicht mehr von einem eindeutigen Missverhältnis ausgegangen werden, bei der der beabsichtigte Zweck einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht mehr erreicht werden kann. Wegen des Vertrauensschutzes sei das Risiko einer unversicherten Teilnahme dem Versicherten unzumutbar, wenn sich ihm der fehlende gemeinschaftsfördernde Zweck der Veranstaltung wegen zu geringer Teilnehmerzahl nicht aufdrängen musste.

Bewertung

pfeilDem Urteil des Sozialgerichts Detmold ist zuzustimmen. Das Urteil stützt die Position des Arbeitnehmers vor allem in sozialversicherungsrechtlicher Weise. Des Weiteren betont es die Wichtigkeit der Funktionsfähigkeit eines Unternehmens, die durch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen gefördert werden. Es entspräche nicht den Grundsätzen des Arbeitsrecht den Arbeitnehmer dem Risiko einer unversicherten Teilnahme auszusetzen, wenn letztlich auch der Arbeitnehmer von den Erfolgen solcher Veranstaltungen profitiert.