SG Dresden, Beschluss vom 29.03.2017, S 18 KR 268/17 ER
Hintergrund
Die Antragstellerin litt unter einer aggressiven Form von Brustkrebs. Die Diagnose wurde 2008 gestellt. Die Antragstellerin war 48 Jahre alt. Nach erfolgter Operation wurde die Antragstellerin mit einer Chemotherapie und Bestrahlung behandelt. Es bildeten sich dennoch fortlaufend Metastasen. Der behandelnde Arzt schlug 2017 eine Verwendung von Pertuzumab, monoklonalen Antikörpern, in einer Kombinationstherapie vor. Die Kosten für diese Behandlung wollte die Krankenkasse nicht übernehmen. Monoklonale Antikörper waren erst seit 2013 für eine beschränkte Anzahl von Fällen zugelassen, in denen noch keine vergleichbare Behandlung stattgefunden hatte. Eine Wirksamkeit der Therapie oder eine mögliche Zulassung waren nicht geklärt. Für die durch den behandelnden Arzt vorgesehene further-line-Therapie gab es keine Zulassung. Aufgrund der seit 2008 andauernden Chemotherapie war eine vergleichbare Behandlung nicht mehr möglich. Die Antragstellerin begehrte den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht. Das Sozialgericht (SG) gab dem Antrag der Antragstellerin statt.
Gründe
Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes war nach Auffassung des Gerichts nicht ermittelbar, ob die andauernde Chemotherapie mit zugelassenen Mitteln gleichwertig zur durch den behandelnden Arzt vorgesehenen Therapie mit monoklonalen Antikörpern ist. Die im Verfahren befragten Ärzte plädierten für die Wahrscheinlichkeit einer positiven Auswirkung der vorgesehenen Therapie. Aufgrund des akut lebensgefährlichen Zustands und in Anbetracht des Rechts auf Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes sah das Gericht es als geboten an, dem Antrag der Antragstellerin stattzugeben und nicht die wirtschaftlichen Interessen der Krankenkasse überwiegen zu lassen.
Bewertung
Der Beurteilung des SG ist uneingeschränkt zuzustimmen. In Anbetracht der akut lebensbedrohlichen Situation der Antragstellerin blieb im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur der beschrittene Weg. Die wirtschaftlichen Interessen der Krankenkasse müssen gegenüber einer möglichen lebensverlängernden oder heilenden Maßnahme bei der Antragstellerin zurücktreten. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht in der Hauptsache entscheidet und ob die Wirksamkeit der angedachten Therapie gutachterlich bestätigt werden kann.