Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.12.2013 – L 2 R 64/10  

Hintergründe

Strittig ist im Rahmen eines Status-Feststellungsverfahrens gem. § 7a ff. SGB IV , ob der in dem Verfahren Beigeladene, welcher seit 01.01.2000 als Notarzt für die Klägerin tätig war, seit dem 21.03.2002 der Versicherungspflicht nach dem Recht der  Arbeitsförderung unterliegt. Die Klägerin ist die Rettungsdienst-Gesellschaft, für die der Beigeladene tätig war. Der Beigeladene beantragte am 23.03.00 die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für seine Tätigkeit als Notarzt im Rettungsdienst. Er gab an, dass mit der Klägerin keine schriftlichen Verträge bestünden und er für ca. 12 Std. Bereitschaftsdienst im Monat freiberuflich tätig gewesen sei.  Er sei privat krankenversichert und bezahle Beiträge zur Ärzteversorgung. Die Beklagte hörte dazu die Klägerin zur beabsichtigten Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses an. Die Klägerin gab an, dass der Beigeladene für sie zu bestimmten Zeiten Leistungen erbringe und dafür Entgelte abrechne. Er sei dabei als freier Mitarbeiter tätig, der seine Aufträge selbstständig abwickle und für die ärztliche Leistung eine Liquidation schreiben würde. Dies sei auch von der Berufsgenossenschaft festgestellt. Ferner hätte der Beigeladene seinen Versicherungsschutz selber sicherstellen müssen. Die Beklagte stellte dennoch mit Bescheid vom 18.03.02 fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Notarzt im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe und somit dem Grunde nach in vollem Umfang sozialversicherungspflichtig sei. Der Widerspruch der Klägerin wurde abgewiesen, worauf hin diese Klage vor dem SG erhob. Mit Urteil hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladen seine Tätigkeit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Gegen dieses Urteil ging die Beklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung vor. Diese war zulässig und hatte in Teilen Erfolg. Das LSG hob das Urteil des Sozialgerichtes teilweise auf.

Gründe

Die Berufung hatte insoweit Erfolg, als dass das LSG die Feststellung des SG, der Beigeladene habe seine Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig ausgeübt aufhob. Es sei der Beklagten zu zustimmen, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Notarzt als abhängig Beschäftigter ausgeübt habe. Allerdings wurde lediglich eine Versicherungspflicht für die Zeit ab dem 5. Februar 2010 festgestellt, welche sich auch nur auf die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung erstreckt. Für den vorrausgegangenen Zeitraum habe der Bescheid den Vertrauensschutzvorgaben des § 7c SGB IV a.F. nicht Rechnung getragen. Die Beklagte hätte nicht einfach eine abhängige Beschäftigung oder eine Versicherungspflicht „dem Grunde nach“ feststellen dürfen.  Dennoch sah das LSG in der ausgeübten Tätigkeit des Beigeladenen eine mehr als nur geringfüge abhängige Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV. Die Beurteilung der Frage, ob eine abhängige oder selbstständige Beschäftigung vorliegt, sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen einer gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände des zu beurteilenden Einzelfalles zu treffen. Ein Maßstab für die Beurteilung ergibt sich aus § 7 Abs. 1 SBG IV. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG liegt eine Beschäftigung vor, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist, was in einem fremden Betrieb der Fall ist, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Eine selbstständige Tätigkeit sei des Weiteren noch durch ein unternehmerisches Risiko gekennzeichnet. Für die rechtliche Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen seien somit die Verhältnisse nach Annahme des einzelnen Auftrags. Es sei nicht ersichtlich, dass der Beigeladene den Bereitschaftsdienst oder sogar einen einzelnen Einsatz ohne Begründung oder Folgen einfach hätte abbrechen können. Auch sei kein Unternehmerrisiko ersichtlich. Das maßgebende Kriterium für ein relevantes Unternehmerrisiko sei, ob eigenes Kapital oder die Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt würde, also der Erfolg der sachlichen oder persönlichen Mittel ungewiss sei. Dies sei hier nicht der Fall. Dem stünde auch nicht das Risiko gegenüber bei krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen kein Honorar zu erhalten. Der Beigeladene sei auch in Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Er habe sich während der Schichten auf der Rettungswache aufhalten müssen und habe keine relevante Möglichkeit gehabt, Einfluss auf die Zeit und den Ort seiner Tätigkeit zu nehmen. Auch habe er nicht die Möglichkeit gehabt, durch eigene Entscheidungen die Höhe seines Verdienstes zu beeinflussen. Die Tätigkeit als solche spreche hier schon für eine Eingliederung. Notärzte seien schon aufgrund der notwendigen Effizienz und Schnelligkeit streng in die Organisation des Rettungsdienstes eingegliedert, denn nur so könne der Sicherstellungsauftrag des § 2 NRettDG verwirklicht werden. Das Gericht ließ allerdings in Anlehnung an ein Urteil des 10. Senates offen, ob Notärzte grundsätzlich unselbstständig arbeiten.

Bewertung

Das Urteil des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ist in Anbetracht des Einzelfalles als richtig zu bewerten. Ob und inwieweit eine Sozialversicherungspflicht besteht, bedarf einer Einzelfallentscheidung. Die dafür wichtige Frage, ob er Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist, hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab. Die Urteilsbegründung des Gerichts im vorliegenden Fall ist diesbezüglich in sich schlüssig. Allerding stellte ein vorangegangenes Urteil des 10. Senats des Landessozialgericht s Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 29.08.2013 – L 10 R 519/09) klar, dass ein Notarzt im Rettungsdienst grundsätzlich sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch in selbständiger Weise tätig sein kann. Es kommen somit auch andere Organisationsformen in Betracht, in denen der Notarzt nicht zwingend in den Betrieb eingegliedert sein muss. Die Entscheidung bleibt somit immer eine Einzelfallentscheidung, obwohl mit dem vorliegenden Urteil eine klare Tendenz gegeben ist.