Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.09.2017 – L 16 KR 284/17

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist, ob die Kosten für eine ärztliche Behandlung in der Türkei getragen werden müssen.

Der türkischstämmige, 1977 geborene Kläger erlitt mehrere Jahre vor diesem Verfahren einen Zeckenbiss. Er ist bei der Beklagten krankenversichert. Ende 2014 wurde seine Borreliose-Symptomatik in der Türkei behandelt. Der Kläger war zu diesem Zweck in die Türkei gereist. Anfang 2015 reichte der Kläger bei der Beklagten Rechnungen der türkischen Ärzte in gesamter Höhe von 858,60 EUR  zur Erstattung ein.

Mangels feststellbaren Notfalls, fehlender Einholung einer Zustimmung der Krankenkasse zur ausländischen Behandlung und hinlänglicher Möglichkeit zur inländischen Behandlung lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab.

Ihm Widerspruchsverfahren trug der Kläger erneut vor, seit über 10 Jahren an Borreliose zu leiden und seitens deutscher Ärzte keine weitere Behandlung, nur die Empfehlung zur psychologischen Behandlung erhalten zu haben. Zudem sei ihm die Erforderlichkeit der Zustimmung durch die Krankenkasse nicht bewusst gewesen. Die Behandlung in der Türkei habe ihn weitestgehend schmerzfrei werden lassen. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.

Der Kläger erhob sodann Klage vor dem Sozialgericht (SG). Das SG wies die Klage ab. Die durch den Kläger vor dem Landessozialgericht (LSG) angestrengte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil blieb erfolglos. Das LSG wies die Berufung zurück.

Gründe

Das LSG betonte, dass eine Kostenerstattung für im Ausland erbrachte medizinische Leistungen nach § 18 SGB V grundsätzlich möglich ist. Voraussetzung sei jedoch, dass die Leistungen im Inland und im EWR-und EU-Ausland nicht erbracht werden können. Zudem dürfen gemäß eines bilateralen Abkommens zwischen Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei (Abkommen zwischen BRD und der Republik Türkei über soziale Sicherheit vom 30. April 1964, BGBl. 1965 II, S. 1170 idF. Des Änderungsabkommens vom 28. Mai 1969 BGBl. 1972, S. 2 und des Zwischenabkommens vom 25. Oktober 1974 BGBl. 1975 II, S. 374 und des Zusatzabkommens vom 2. November 1984 BGBl. 1986, S. 1040) nur Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden, die medizinisch sofort notwendig sind und nicht bis zur Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland zurückgestellt werden können.

Aufgrund dieser Ausgangslage sah das LSG keinen hinreichenden Grund für die Bejahung eines Erstattungsanspruchs. Die Erkrankung des Klägers sei in Deutschland gut behandelbar. Ferner sei ein nur subjektiver Erfolg einer nicht näher spezifizierten ärztlichen Behandlung kein Argument für die Bejahung eines Anspruchs. Das LSG führte aus, dass eine fehlende Einholung eines fachärztlichen Rates Grund für die angeführte Ratlosigkeit deutscher Nicht-Fachärzte sein kann. Eine Notfallbehandlung habe eindeutig nicht vorgelegen. Die Symptomatik sei nicht akut gewesen.

Dem Argument des Klägers, dass es sich bei der Einholung einer Zustimmung um eine „Förmelei“ handelt, widersprach das LSG. Es entgegnete, dass die Kontaktierung der Krankenkasse den Weg für eine fachärztliche Beratung für den Kläger in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet hätte und eindeutig Grundvoraussetzung für die Erstattung von im Ausland erbrachten medizinischen Leistungen ist.

Bewertung

Der Entscheidung des LSG ist zuzustimmen. Das LSG arbeitet deutlich heraus, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Kostenerstattung von im Ausland erbrachten medizinischen Leistungen bestehen kann. Ein unbegründeter Vortrag des Klägers verhinderte eine Anspruchsbejahung.