Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 10.10.2016 –  S 31 AL 84/16

Hintergrund

Die Klägerin ist Justizbeschäftigte. Sie fühlte sich an ihrem Arbeitsplatz gemobbt, war deswegen längere Zeit arbeitsunfähig und sollte nach einer stufenweisen Wiedereingliederung an anderen Amtsgerichten wieder die Arbeit an jenem Amtsgericht aufnehmen, bei dem sie ursprünglich eingesetzt war.  Dies verweigerte sie wegen der aus ihrer Sicht fortbestehenden Mobbing-Situation, weshalb der Arbeitsgeber sie ohne Gehaltszahlung freistellte. Daraufhin beantragte die Klägerin bei der beklagten Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld I. Sie sei faktisch arbeitslos und stelle sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Vorab wolle sie das Arbeitsverhältnis beim Land NRW jedoch nicht kündigen. Sie habe das Land vor dem Arbeitsgericht auf Versetzung verklagt. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Arbeitslosengeld I ab, weil die Klägerin in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis zum Land NRW stehe und dieses nicht auf sein Direktionsrecht verzichtet habe. Sie sei damit nicht arbeitslos. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Dortmund hatte Erfolg.

Gründe

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld I. Voraussetzung für den Anspruch ist zwar, dass der Antragssteller arbeitslos ist. Hierfür genügt aber eine faktische Beschäftigungslosigkeit. Die Klägerin hat das Beschäftigungsverhältnis mit dem Land NRW faktisch dadurch beendet, dass sie das Direktionsrecht ihres Arbeitgebers nicht anerkennt und sich nicht an ihrem Stammgericht einsetzen lässt. Sie hat sich auch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt. Dem Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld I steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin eine förmliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Land NRW davon abhängig macht, eine anderweitige zumutbare Arbeit gefunden zu haben. Es ist zudem unschädlich, dass sie versucht, die Wiederaufnahme der Beschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber durch eine Versetzung zu erreichen. Dies kann sogar als Verpflichtung der Klägerin im Rahmen von Eigenbemühungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit angesehen werden.

Bewertung

Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I kann auch Beschäftigten in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zustehen, wenn sie faktisch beschäftigungslos sind. Die Voraussetzungen der Beschäftigungslosigkeit – welche einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I begründen kann – erfüllt, wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Das Gesetz stellt dabei auf einen leistungsrechtlichen Beschäftigungsbegriff ab, der sich im Schutzinteresse des Arbeitnehmers vom beitrags- und arbeitsrechtlichen Beschäftigungsbegriff unterscheidet. Für das Vorliegen von Beschäftigungslosigkeit ist demnach die faktische Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausreichend. Somit ist die Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund unter Zugrundlegung des leistungsrechtlichen Beschäftigungsbegriffs juristisch nachvollziehbar.