Hintergrund

Die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz Christine Lambrecht erklärte zu dem von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmenpaket, welches unter anderem einen Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter beinhaltet, Folgendes:

„Wir tun alles, um die wirtschaftliche Existenz der Menschen in der Coronakrise zu sichern. Existenziell sind vor allem die eigene Wohnung und die Versorgung mit Strom, Wasser und Kommunikation. Laufende Verbindlichkeiten können schnell existenzbedrohend werden, wenn Einkünfte fehlen. Wer wegen seiner Verdienstausfälle kurzfristig nicht zahlen und Hilfen nicht rechtzeitig erhalten kann, dem darf jetzt nicht gekündigt werden. Das stellen wir gesetzlich sicher. […]“

Aus Mietersicht scheint diese neue Regelung eine Erleichterung zu sein, da die aktuelle Situation in der Corona-Krise eine große Ungewissheit bezüglich des Einkommens von Einzelpersonen und Unternehmen mit sich bringt. Besonders die behördlichen Schließungen von Gastronomiebetrieben, Einzelhandelsgeschäften und Freizeiteinrichtungen bedeuten massive Umsatzeinbußen, welche wiederum zu finanziellen Engpässen führen können.

Die ursprüngliche Gesetzeslage

Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht in § 534 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ein außerorden­tliches fristloses Kündigungsrecht des Vermieters vor, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Aufgrund der einschneidenden behördlichen Maßnahmen, die getroffen wurden, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen, ist jedoch davon auszugehen, dass die Umsatzeinbußen und Einnahmeverluste vieler Personen und Unternehmen eine Summe ergeben werden, die im Durchschnitt weit höher als zwei Monatsmieten ist.

Um dieses Problem zu lösen und viele (auch gewerbliche) Mieter vor einer fristlosen Kündigung aufgrund fehlender Einnahmen bedingt durch den Corona-Virus zu bewahren, wurde eine das Kündigungsrecht des Vermieters einschränkende Regelung ins Leben gerufen.

Die neue Regelung im Rahmen der Corona-Pandemie

Aufgrund der neuen Regelung dürfen Vermieter ihren Mietern nicht kündigen, wenn aufgrund von Auswirkungen der Corona-Pandemie Mietzahlungen im Zeitraum vom 01. April 2020 bis 30. Juni 2020 ausbleiben. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch Gewerberaummietverträge. Eine Verlängerung dieser Frist ist möglich, sofern sich herausstellt, dass die derzeitige Befristung nicht ausreichend ist. Den Mietern bleibt die Möglichkeit die Mietschulden dann bis zum 30. Juni 2022 zu begleichen. Diese Einschränkung des Kündigungsrechts endet mit Ablauf des 30. September 2022, sodass nach diesem Datum aufgrund von Corona bedingten und bisher nicht beglichenen Zahlungsrückständen wieder gekündigt werden kann.

Wichtig zu betonen ist jedoch, dass diese Maßnahme nicht zur Folge hat, dass Mieter folgenlos von ihren Mietschulden befreit sind. Ganz im Gegenteil: Die Mieter sind weiterhin verpflichtet, ihre Mietschulden fristgerecht zu begleichen. Das bedeutet auch, dass sie bei nicht fristgerechter Zahlung in Verzug geraten können und Verzugszinsen anfallen können.

Außerdem schützt diese Regelung nicht vollständig vor der Kündigung! Lediglich eine Kündigung aufgrund von Corona bedingten Zahlungsrückständen ist unzulässig. Andere Gründe, wie z.B. Eigenbedarf, Zahlungsrückstände aus vorherigen Monaten oder ein Fehlverhalten gegenüber dem Vermieter, berechtigen selbstverständlich weiterhin zur Kündigung.

Vorstehendes gilt ebenso für Pachtverträge.

Bewertung

Sofern Mieter befürchten, dass sie ihre Mietschulden nicht mehr begleichen können, da sie stark unter der Corona-Krise leiden, ist es ratsam, zunächst das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen. Im Streitfall ist es Sache des Mieters, glaubhaft zu machen, dass die Mietrückstände mit der Corona-Pandemie zusammenhängen. Zur Glaubhaftmachung muss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Tatsachen dargelegt werden (vergleiche BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006, Aktenzeichen IX ZB 60/06, Randnummer 11). Für Gewerberaummieter kann an dieser Stelle jedoch bereits genügen, wenn sie auf die behördliche Verfügung verweisen, welche den Betrieb ihres Unternehmens verbieten oder zumindest erheblich einschränken.

Eine berechtigte Frage ist, ob aufgrund dieser Regelung nicht das Problem der finanziellen Engpässe lediglich vom Mieter auf den Vermieter verlagert wird? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bezeichnet diese Maßnahme als „Akt gebotener Solidarität“ in Zeiten in denen wir als Gesellschaft stark durch den Corona-Virus gefordert sind.

Die Kündigung der „eigenen vier Wände“ bedeutet für Personen, die ohnehin schon finanziell unter den Folgen der Corona-Krise leiden, eine massive Belastung in diesen schwierigen und ungewissen Zeiten.

Die Kündigung von Gewerbemietraum hätte zur Folge, dass dem Mieter die Grundlage seiner Erwerbstätigkeit vollständig entzogen wird.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Regelung den Spagat zwischen der Wahrung der Rechte des Vermieters und dem Schutz des Mieters schafft, ohne eine Partei unverhältnismäßig in Mitleidenschaft zu ziehen. Denn auch die Abwägung der beiderseitigen Interessen sollte nicht im Schatten der Solidarität vergessen werden.

Dr. iur. Achim Schumacher

Rechtsanwalt

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