Ärztliches Berufungsgericht, Urteil vom 11.05.2016, BG 13/15

Hintergrund

Der Beschuldigte ist ein in Einzelpraxis niedergelassener, habilitierter Kardiologe. Dieser behandelte langjährig eine 92-jährige Patientin, die seit 2015 in der Pflegestufe III eingestuft ist und schlecht schreiben kann. Mit notariellem Testament von September 2011 setzte sie den Sohn des Beschuldigten zu ihrem Alleinerben ein. Im Januar 2015 änderte die Patientin dieses zugunsten dem Bund der Vertriebenen e.V. als ihren Alleinerben ab. Im Mai 2015 legte der Beschuldigte seiner Patientin ein von ihm vorformuliertes und auf Mitte April rückdatiertes Schriftstück zur Unterschrift vor, das diese unterschrieb. Dadurch vererbte sie ihr Haus an den Sohn des Beschuldigten. In einem weiteren Behandlungstermin legte der Beschuldigte der Patientin selbiges Schriftstück erneut vor, das dieser um die Hälfte eines weiteren Hauses ergänzt hatte. Durch die Unterschrift der Patientin vererbte diese somit (vermeintlich) 1,5 Häuser an den Sohn des Beschuldigten. Außerdem legte er der Patientin ein Schriftstück zur Unterschrift vor, durch welches diese die vermeintlich bereits im April vererbten Häuser dem Sohn des Beschuldigten schenkte. Im August 2015 wandte sich der Beschuldigte zweimal an die Schwester der Patientin und übermittelte ihr die beiden Schriftstücke vom April 2015. Er bat um Besichtigung der beiden Häuser. Die Schwester ließ jedoch anwaltlich mitteilen, dass die Patientin nicht Eigentümerin der beiden Häuser sei, über diese sie verfügt habe, und dass sie keinen Besuch wünsche. Auf Anruf des Beschuldigten hin bat die Notarin der Patientin, die das Testament im Januar 2015 aufgesetzt hatte, den Steuerberater der Patientin mit dem Pflegedienst einen Termin Zur Testamentserrichtung zu vereinbaren. Bei dem Termin November 2015 setzte die Patientin den Sohn des Beschuldigten erneut durch öffentliches Testament zu ihrem Alleinerben ein. Im Januar 2016 unterschrieben der Beschuldigte und seine Patientin ein weiteres Schriftstück, in dem es heißt, dass weder der Beschuldigte noch sein Sohn das Haus der Patientin erben werden.

Das ärztliche Berufungsgericht Niedersachsen verurteilte den Beschuldigten zu einer Geldbuße iHv 15.000€.

Gründe

Grundlage des Beschlusses bilden die mit der Antragsschrift eingereichten Urkunden. Der Beschuldigte habe den objektiven Sachverhalt zwar voll umfänglich eingeräumt, sehe dies jedoch nicht als Berufspflichtverletzung an. So habe die ihm mehrfach ihren Wunsch mitgeteilt, ihm und seinem Sohn ihre Häuser zu vererben. Der Beschuldigte sei lediglich mit Vorfertigung der Schreiben und auch der Testamentsänderung darauf eingegangen, um das langjährige Arzt-Patient-Verhältnis nicht zu belasten und dem Wunsch seiner Patientin nachzukommen. Von der Existenz der beiden ersten notariellen Testamente habe er erst im Rahmen des berufsgerichtlichen Verfahrens erfahren. Ihm und seinem Sohn sei es auch gleichgültig gewesen, zu wessen Gunsten das Testament bliebe. Er habe seiner Patientin zwar empfohlen, das Testament noch einmal zu ändern, könne aber nicht angeben, ob diese seinem Wunsch nachgekommen ist. Mit Unterschreiben des Schriftstücks von Januar 2016 sei die Angelegenheit, nach Ansicht des Beschuldigten, eigentlich erledigt.

Im Verhalten des Beschuldigten sei jedoch ein Verstoß gegen die Berufsordnung zu sehen. Nach § 2 Abs.2 BerufsOrd Niedersachsen habe der Arzt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Er habe dabei sein ärztliches Handeln am Wohl der Patienten auszurichten. Insbesondere darf er nicht das Interesse Dritter über das Wohl der Patienten stellen. Gem. § 32 BerufsOrd Niedersachen ist es Ärzten nicht gestattet, vom Patienten oder andren Geschenke oder andre Vorteil für sich oder Dritte zu fordern oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Zweck dieser Regelungen ist es, neben dem Wohl des Patienten auch das Ansehen der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit zu wahren. Der Patient soll von einem unbeschwerten Arzt-Patient-Verhältnis ausgehen dürfen, bei dem die gesundheitlichen Sorgen des Patienten und nicht finanzielle Eigeninteressen des Arztes maßgeblich sind. Indem der Beschuldigte während Behandlungsterminen mit der Patientin die Vermögensübertragung thematisierte, die Schriftstücke vorbereitet dazu mitbrachte und weiter aktiv darauf hingewirkt habe, habe er objektiv gegen diese Grundsätze verstoßen. Zwar stehe es der Patientin frei, ihrem Wunsch entsprechend, ihr Testament auszugestalten. Jedoch entspreche die Mitwirkung des Beschuldigten nicht dem der BerufsOrd entsprechend zu forderndem Arzt-Patient-Verhältnis, das nur zum Wohl des Patienten dienen solle. Die Bemühungen des Arztes erweckten den Eindruck der Ausnutzung seiner besonderen Vertrauensstellung als Arzt. Auch subjektiv sei dem Beschuldigten ein Verstoß gegen die BerufsOrd Niedersachen vorzuwerfen. Das Schriftstück vom 27.01.2016 mache zudem nichts rückgängig, da es keinen wirksamen Widerruf des Testaments vom 26.11.2015 darstelle, sondern lediglich ein rechtliches nullum.

Bewertung

Das Urteil des Ärztlichen Berufungsgericht überzeugt. Es ahndet scharf einen Verstoß gegen die Berufsordnung Niedersachsen. Aufgrund der Sensibilität des Arzt-Patient-Verhältnisses und besonders in Hinblick auf die Abhängigkeit der Patientin aufgrund ihrer Pflegestufe III erscheint dies auch billig. Das Urteil hält an objektiven Maßstäben fest und stützt dadurch die für das Berufsbild Arzt in der Berufsordnung festgesetzten Regeln. Geschützt wird dadurch vor allem der Geltungsanspruch der Ärzte. Anzuzweifeln wäre jedoch die Höhe der Geldbuße, die in Anbetracht der in Aussicht stehenden Erbmasse, 1,5 Häuser, zu niedrig angesetzt zu sein scheint.